"Es ist befreiend, keine Meinung zu haben"
Die 99 Thesen zum Thema „Wie wir leben wollen“, die Tocotronic seit Oktober im Tagesrhythmus via Twitter veröffentlichen, sind nicht ganz ernst gemeint: „Es war ein Privat-Spaß“, sagt Sänger und Texter Dirk von Lowtzow im Interview mit dem KURIER. „Wir hatten den Albumtitel, und ich fand’s lustig, dazu aus Zitaten aus den Texten Thesen aufzustellen. Und da ergaben sich natürlich auch so widersprüchliche Thesen wie ,high‘ und ,nüchtern‘.“
Mit solchen Späßen will der 41-Jährige gegen das Image von Tocotronic als „verkopfte, intellektuelle Band“ ankämpfen. Allerdings mag er solche Späße deshalb so gerne, weil sie Hirn haben und „man dabei sofort an die 95 Thesen von Luther denkt“.
„Pop muss nicht stupid sein“ ist seit jeher das Credo der Hamburger. Und das bleibt auch bei „Wie wir leben wollen“ so. Zum gewohnten Tocotronic-Sound, dem beherzt vorwärts treibenden Pop-Rock mit Fokus auf den Gitarren, macht sich von Lowtzow diesmal Gedanken über Körperlichkeit und persönliche Befreiung.
"Auf dem Pfad der Dämmerung" aus dem neuen Album:
Innerlichkeit
„Weil ich älter geworden bin, gehe ich diesmal mehr von meinem lyrischen Ich aus“, erklärt er. „Mit 40 bekommt man durch Krankheiten und auch den Tod von Familienangehörigen ein ganz anderes Verhältnis zum Körper, der wird einem fremder. Dazu kommt, dass die heutige Zeit von einer Hinwendung zur Innerlichkeit geprägt ist. Jeder muss dauernd twittern, wie es ihm geht, was er worüber denkt. Die Suche nach Authentizität ist vor allem in der Kunstrezeption ein wichtiges Thema. Ich halte das aber für kitschig. Deshalb hat mich für die neuen Songs – ein bisschen aus Trotz dazu – die Körperlichkeit interessiert. “
INFO: Tocotronic auf Österreich-Tour: 6. 2. Wien/Burgtheater (ausverkauft), 7. 4. Graz/Orpheum 9. 4. Wien/Arena,10. 4. Linz/Posthof. Karten: 01/96 0 96 oder www.oeticket.com