Erwin Javor: "Denken – nicht nur erlaubt, sondern erwünscht"
Die einen kennen ihn als erfolgreichen Unternehmer. Die anderen wissen: "Hinter jeder starken Frau steht ein liebevoller Mann." Der ist Erwin Javor für Anita Ammersfeld, die zehn Jahre lang bis 2015 das stadtTheater walfischgasse geleitet hat. Und alle schätzen den Mann als humorvollen Gesprächspartner und Geschichtenerzähler, der nun via Buch-Cover behauptet: "Ich bin ein Zebra".
Wie das? Man habe ihn einmal nach seiner Identität gefragt. Und Javor antwortete: "Wenn Sie ein Zebra fragen ,Was ist Ihre Identität?’, wird es sagen: ,Was soll die dumme Frage? Ich bin ein Zebra! Mein Vater war eins, meine Mutter war eins, meine Großeltern auch, sogar meine Frau ist ein Zebra, also raten Sie einmal, was meine Kinder sind?"
Ostjüdische Identität
Erwin Javors erstes Buch, mit erstaunlicher Leichtigkeit verfasst, nimmt den Leser mit auf eine Zeitreise durch ein bewegtes Leben, auf "eine jüdische Odyssee", so der Untertitel, die vom Schtetl nach Budapest, von Budapest nach Wien und nach Israel führt.
"Ich bin ein Zebra" reflektiert die ostjüdische Identität im Lauf der Generationen. Es ist eine Familiengeschichte voller Tragikomik, zugleich eine Liebeserklärung an die Eltern des Autors, deren Geschichten und Erzählungen über eine heute verlorene Welt ihn geprägt haben. Und ihm eine Lehre fürs Leben sind: "Mein Vater blieb trotz allem, was er erlebt hat, ein völlig positiver Mensch."
Vor allem: Hinter jeder Seite blinzelt Humor und Witz hervor. Wobei der Witz vom Hirn und der Humor vom Herzen kommt. Und vorneweg steht ein Zitat von Friedrich Torberg: " ... und Lächeln ist das Erbteil meines Stammes."
Javor fügt später etwas – nobel formuliert – als "Essenz des jüdischen Seins" hinzu, das zur allgemeinen Maxime erhoben werden sollte: "Denken ist in unserer Kultur nicht nur erlaubt, sondern erwünscht."
Gelebte Vielfalt
Dass vieles so gar nicht zum Lächeln war in der jüdischen Geschichte, versteht sich von selbst und bedarf keiner weiteren Erklärung. Aber viel ist zu erfahren über das Nachkriegs-Wien, als die assimilierten Juden in der Stadt den "zuag’rasten Ostjuden" so kritisch begegneten, wie es die Nicht-Juden auch taten.
Aber es gibt nun einmal so viele jüdische Meinungen, wie es Juden gibt. Sie streiten und beleidigen einander und sind doch auch stolz auf ihre gelebte Vielfalt.
Was ist der Unterschied zwischen Rumänen und Galizianern? – Im Prinzip keiner. Beide verkaufen die Mamme, aber der Rumäne liefert nicht.
Der jüdische Witz kommt hier nicht nur nicht zu kurz, sondern bekommt breiten Raum eingeräumt und macht die Lektüre zum Vergnügen. Weil’s zwischen den Zeilen so sehr menschelt.
Schließlich macht uns jede Anekdote, jede gute Pointe die Tragödie hinter der Komik als Betroffener leichter erträglich – und als Beobachter besser verständlich. Das ist in diesem Fall großartig gelungen. Und mehr kann ein Buch nicht leisten.
Erwin Javor: "Ich bin ein Zebra. Eine jüdische Odyssee", 256 Seiten, Amalthea Verlag, 25 Euro