Er macht sich auf den Weg, wo kein Weg ist
Von Peter Pisa
Adalbert Stifters Naturbeschreibungen sind ja auch sehr schön. Bloß ein wenig anders halt.
Stifter hat ein Bächlein und ein Brünnlein mit einem Wasserfädlein, er hat einen Strom, der in schönem Silberspiegel wallt.
Oswald Egger hat glutdurchsetzte Grübchen und opalisierende Ösen, er hat Knucke-Bolzen, die bollern.
Kein Tal
Egger ist ein Sprachkünstler. Ein Südtiroler, 54 Jahre alt, zeitweise lebt er in Wien. Ein Lyriker und Professor für "Sprache und Gestaltung" im deutschen Kiel.
Er wandert.
Allerdings macht er sich auf den Weg, wo noch gar kein Weg ist. Er denkt an Berge, die keine Täler haben. Er sieht mehr als es zu sehen gibt. Und pfeift dazu: "Ich singe, also bin ich, singe ich."
Schöpfungen
Wie glücklich ist man, fällt unsereinem ein einziges gutes Wort sein! Muss nicht einmal eine neue Erfindung sein. Genügt schon, wenn man ein Wort findet, das nicht ausgelutscht klingt.
... und dieser Oswald Egger notiert hunderte neue Kreationen. Tausende. Hier ein Schluckschatten, dort Kehllinien, dazwischen sind Novellenknäuel der Verkolkung. Die zeichnet er auch noch zu seinem Text! Eine Verkolkung!!!
Sein liebstes Zeitwort ist: Er, sie es istert. Manchmal istert es sogar verkappt.
Schmatzen
Ja, es darf Unsinn sein. "Val di Non" ist Nichts sowie das Nonstal im Norden von Trient. Und es ist lustig. Man muss nicht andächtig mitwandern. Egger marschiert voran, es kann passieren, dass man zurückfällt. Es muss passieren. So ist es immer mit ihm.
Er ist nicht beleidigt, wenn er das letzte Stück allein geht. Egger weiß bestimmt, dass er nervt. Irgendwann ist er nicht mehr auszuhalten. Aber bis dahin schmatzt man. Und macht sich mit Vergnügen ein Bild von DIESEM hier:
"Quaste, die ich bähte mit den Händen, baden meine Pfuie."
Oswald Egger:
„Val di Non“
Suhrkamp.
208 Seiten.
28,80 Euro.
KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern