Eleganter als der Opernball
Von Georg Markus
Der Opernball ist der berühmteste, der Life Ball ist der schrägste, doch der Philharmonikerball ist der eleganteste von allen. Nicht nur, weil ein gewisser Baumeister dort keine halbseiden tapezierte Loge bezieht, sondern auch weil im Musikvereinsgebäude eine ganz besondere Atmosphäre herrscht und der Veranstalter eines der renommiertesten Orchester der Welt ist. Dabei war der Anlass zur Gründung des Balls gar nicht so nobel wie es die Institution vermuten lässt. Den ersten Ball gab’s, weil die Philharmoniker in Geldnöten waren.
Und das kam so: Das weltberühmte Orchester hatte Teile seiner Einnahmen auf ein Konto gelegt, das kranke und pensionierte Musiker finanziell absichern sollte. Als mit der Inflation des Jahres 1922 die Ersparnisse wertlos geworden waren, dachten die Philharmoniker darüber nach, wie ein neuer Notgroschen geschaffen werden könnte. Und da tauchte die Idee auf, einen profitablen Ball ins Leben zu rufen.
Bälle gab es damals schon viele, es musste daher ein besonderer werden. Also gründete man, wie hierzulande üblich, ein Komitee, das den Auftrag erhielt, den Fasching 1924 mit dem Feinsten vom Feinen zu versorgen.
- Ballsaal: Das begann mit der Wahl eines wohl einzigartigen Ballsaales: dem Wiener Musikverein.
- Eröffnung: Konkurrenzlos war und ist der Philharmonikerball aber auch, da das in aller Welt gefeierte Orchester die Möglichkeit hat, für die musikalische Eröffnung selbst zu sorgen.
Andererseits stellten sich bereits bei der Vorbereitung des ersten Balls Probleme ein:
- Fanfare: Kein Geringerer als Richard Strauss sollte die "Ballfanfare zum Einzug der Ehrengäste" komponieren. Ausgerechnet Richard Strauss, gegen dessen Bestellung als Staatsoperndirektor die Philharmoniker wenige Jahre davor vehement (aber erfolglos) intrigiert hatten! Meister Strauss sah gnädig über die einstige Demütigung hinweg und lieferte den Philharmonikern die gewünschte Fanfare (zu der die Ehrengäste heute noch einziehen).
- Dirigent: Als Problem erwies sich auch der Plan, die Eröffnung des Balls mit dem Donauwalzer vom berühmten Maestro Felix von Weingartner dirigieren zu lassen. Als Weingartner erfuhr, dass nicht er, sondern sein Intimfeind Richard Strauss als Komponist der Fanfare ausersehen war, schrieb er erbost an die Philharmoniker: "Sie haben es für richtig befunden, sich bezüglich der musikalischen Begrüßung des Herrn Bundespräsidenten bei Ihrem Ball nicht an mich zu wenden. Sie werden nun wohl begreifen, dass ich diesem Ball fern bleiben werde."
Karajan bis Domingo
Doch da man in Wien lebt, gelang es auch dieses Problems Herr zu werden, und Weingartner sorgte – als erster in einer Reihe großer Dirigenten – für die musikalische Eröffnung. Ihm folgten Wilhelm Furtwängler, Sir Georg Solti, Herbert von Karajan, Karl Böhm, Leonard Bernstein, Placido Domingo, Carlos Kleiber...
Die Eintrittspreise verraten, dass der erste Ball am 4. März 1924 mit dem Höhepunkt der Inflation zusammenfiel: Eine Karte kostete 150.000 Kronen, eine Loge für fünf Personen 2,5 Millionen. Und doch war der Große Musikvereinssaal übervoll, die Stimmung ausgelassen, und wer gedacht hätte, dass die Philharmoniker nur auf Traditionelles setzten, hatte sich getäuscht: Die Tanzbeine schwangen zu Walzer und Polka ebenso wie zu Shimmy und Tango.
Noblesse
Wien hatte ein neues gesellschaftliches Ereignis. Der Philharmonikerball 1927 bewies dann, dass die Währungskrise überwunden war, zahlte man doch jetzt ganz normale 15 Schilling Eintritt. Doch die Noblesse blieb, man traf Prominenz von Hugo von Hofmannsthal bis Leo Slezak, nach dem Krieg kamen dann Curd Jürgens, Agnes Baltsa, José Carreras, Anna Netrebko, mehrere Kanzler und Bundespräsidenten.
"Das besondere Flair des Philharmonikerballes" liegt laut Thomas Schäfer-Elmayer, Österreichs oberster Ball-Instanz, "am Veranstaltungsort Musikverein, am hohen Anteil der Künstler und der Wiener Gesellschaft, aber auch daran, dass die Philharmoniker bei der Eröffnung selbst auftreten."
Dezent
Schäfer-Elmayer war "immer schon der Meinung, dass der Philharmonikerball eleganter ist als der Opernball, bei dem sich aufgrund der Medienpräsenz ganz bestimmte Leute ins Bild drängen. Dadurch entsteht in der Öffentlichkeit ein ganz anderes Bild als es der Wirklichkeit entspricht. Da den Besuchern des Philharmonikerballs eine solche Bühne nicht geboten wird, ist er dezenter und somit eleganter."
Ich selbst darf mich hier als Ball-Profi outen, da es als junger KURIER-Reporter einige Jahre zu meinen Aufgaben gehörte, im Fasching über Wiens Bälle zu berichten. Ich kenne sie daher alle, vom Zuckerbäcker- über den Opern- bis zum Philharmonikerball. Natürlich ist der seiner Tradition treu geblieben, und doch wäre heute wohl kaum mehr möglich, worüber ich im Jänner 1973 schrieb: Dass die damalige Ballpräsidentin Maria Mautner Markhof einen jungen Mann vom Eröffnungswalzer ausschloss, weil seine Haare zu lang waren.
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