Eine ganz normale Familie mit Banane
Von Peter Pisa
Das ist ein Film. "Rimini" sieht nur so aus wie ein Buch, weil die Berliner Filmemacherin Sonja Heiss eines schreiben wollte. Aber es ist ein Film.
Ein Episodenfilm über Eltern und ihre beiden längst erwachsenen "Kinder", die alle zusammen so tun, als wären sie eine Familie.
Eine Ansammlung von Irrsinn und Einsamkeit ist das.
Also doch eine Familie.
Zitat aus Kapitel 23:
"Empathie war etwas, dachte Masha, das in ihrer Familie wahrscheinlich genetisch ausgeschlossen war, eine Eigenschaft, die sicherlich schon ihre Ahnen nicht aufgewiesen hatten. ,Ach, du musst in den Ersten Weltkrieg. Blöd. Na ja. Wird schon", hieß es damals wahrscheinlich."
Zitat Ende.
Hunger, gell
Jetzt eine kleine Episode (von vielen) mit den alten Eltern Barbara und Alexander. Sie gehen miteinander spazieren. Barbara will eine heiße Wurst. Alexander hat eine Banane, schon braun gefleckt, mit. Barbara mag Bananen nicht. Alexander spart. Er würde auch nie eine der teuren Flaschen Wein (um zehn Euro!) aus dem Keller öffnen, wenn Barbara Wein will. Soll sich ein Bier nehmen. Alexander hebt alles für später auf, für noch später.
Er gibt erst Ruhe, bis Barbara auf die Wurst verzichtet und die Banane mampft. "Hast Hunger, gell", sagt er.
Der Sohn (Anwalt) ist mit einer Frau verheiratet, die nicht so oft Sex will. Dann ist er zornig, zerbricht Bleistifte. Sie schickt ihn zur Psychotherapeutin. Jetzt bekommt er dort seine Erektion.
Und die Tochter von Barbara/Alexander? Legte gern ihren Kopf in die Achselhöhle ihres Partners. Jetzt findet sie dort keine Ruhe mehr. Sie kann den Mann nicht mehr riechen ...
" Rimini" ist selbstverständlich kein Film. Sondern ein Roman, der im Kopf eine Szene nach der anderen abspielt; mit Dialogen, fast so gut wie im Leben. Also sehr, sehr gut. Ungeniert ehrlich. Man fühlt sich unter den Neurotikern daheim. Dass "Kinder" arm sind wegen der Eltern, liest man ja gern. Haha.
Sonja Heiss:
„Rimini“
Kiepenheuer
& Witsch Verlag.
400 Seiten.
20,60 Euro.
KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern