Kultur

Eine Fotografin auf der Suche nach der Sonne

Die Frau, die ihre Kamera auf Vogelschwärme, auf Schneehügel oder alte Gemäuer richtet, wirkt introvertiert, fast in Trance, ganz anders als typische Fotoreporter. In einem Video, das in der Schau „Rinko Kawauchi – Illuminance“ im KunstHaus Wien (bis 5. Juli) gezeigt wird, ist die 1972 geborene japanische Fotografin kurz bei der Arbeit zu sehen.

Die Ausstellung, für die die Künstlerin eine eigene Werkserie in Österreich anfertigte, ist der Startschuss für das Programm, das Bettina Leidl mit ihrem teils neuen Team im KunstHaus verantwortet: Die Kulturmanagerin hatte vor einem Jahr die Leitung des einstigen Hundertwasser-Refugiums angetreten.

Rinko Kawauchi ist hierzulande noch weitgehend unbekannt, in der Foto-Szene machte sie sich durch außergewöhnliche Bildbände und Foto-Serien einen Namen. Tatsächlich gelingt es der Fotografin, dem Alltäglichen noch einmal ungesehene Aspekte abzuringen, „redundante“ Bilder zu vermeiden und durch eine radikal subjektive Motivwahl einen Blick nach Innen zu offenbaren.

Japan ist überall

Es wäre dabei vorschnell, Kawauchis Bildwelt mit einem speziell „japanischen“ Blick und einer Ästhetik der Reduktion und Reinheit zu assoziieren. Wohl kommen solche „typischen“ Elemente vor, zumal in der titelgebenden Serie „Illuminance“, die am Beginn der Schau steht: Zierfische, Blüten, Spinnennetze gehören zu den Motiven, die Kawauchi da teils in starker Nahsicht und mit Effekten der Überbelichtung festhält. Doch der individuelle Stil der Fotografin ist stärker als all jene Merkmale, die die Bilder in einer bestimmten Kultur festmachen.

Besonders gut zeigt sich diese Kraft der Eigenwilligkeit in der Serie „Searching for The Sun“, die extra für die Wiener Ausstellung entstand. Auf Einladung des KunstHausWien verbrachte Kawauchi eine Woche in Österreich, filmte und fotografierte u.a. in der Seegrotte Hinterbrühl, in der Dachstein-Eishöhle oder bei den Schmelzöfen der Münze Österreich.

Alle Inhalte anzeigen

Trachten-Avantgarde

Motive, die man vordergründig für spektakulär hält – etwa glitzernde Eisblöcke oder Goldmünzen – stellen sich in Kawauchis Bildern als eher uninteressant heraus; ein Bergvogel, ein Schneehügel oder eine Hutfeder in der Auslage eines Trachtengeschäfts entpuppen sich dagegen als die wahren Funde auf Kawauchis Schatzsuche. Das Medium Fotografie stellt seine Fähigkeit, Dinge „umzuwerten“ und individuelle Perspektiven aufzuwerten, hier wieder unter Beweis.

In Summe schafft die von Verena Kaspar-Eisert kuratierte Schau einen Raum, der es ermöglicht, Abstand zu nehmen: Jedes Bild erzählt nicht nur von der kontemplativen Versenkung der Fotografin, es erlaubt auch, ihr ein Stück weit in diese Trance zu folgen. In dem eingangs erwähnten Video spricht die Künstlerin davon, dass sie paradoxerweise unsichtbare Qualitäten zeigen möchte, indem sie sichtbare Dinge fotografiert. Das ist nicht esoterisch-abgehoben: Es funktioniert.