Eine "Fledermaus" in Champagnerlaune
Von Thomas Trenkler
Das Glasdach der Jugendstil-Arena von Baden blieb wetterbedingt zwar geschlossen. Die Sommertheatersaison wurde trotzdem eröffnet. Mit der " Fledermaus" von Johann Strauß, also einer recht riskanten Produktion. Alexandra Liedtke, die Regisseurin, setzte noch eins drauf: Sie machte die Umbauarbeiten zwischen den Akten für alle sichtbar.
Das dürfte man in Baden bisher nicht gekannt haben. Denn Liedtke erklärt "die Setzung der Inszenierung" im Programmheft ganz genau: "Der Zuschauer nimmt daran teil, wie sich die Wohnung der Familie Eisenstein in einen Ballsaal verwandelt. Die Phantasie des Zuschauers ist ständig herausgefordert, sich auf die neue Spielsituation einzulassen."
Ja, die blümchengemusterte Tapete von Ausstatter Philip Rubner war wirklich eine Herausforderung. Denn sie symbolisiert ja nicht nur trautes Heim: Im dritten Akt verwandelt sich der "Ballsaal" in ein fideles Gefängnis.
Und da entgleist die bis dahin handwerklich solide Regie völlig. Liedtke scheitert am normalerweise sehr vergnüglichen Tür-auf-Tür-zu-Spiel. Auch deshalb, weil es an genügend Türen fehlt. Der sturzbesoffene Gefängnisdirektor Frank (Andreas Jankowitsch) muss sich daher ein Loch imaginieren, in das er den Schlüssel stecken kann.
Quasimodo-Verschnitt
Hinzu kommt, dass Rudi Roubinek als Frosch eine eher unheilvolle Kreuzung aus Schwejk und Quasimodo gibt. Das Publikum findet weder die Anspielung auf die ORF-Vergangenheit als Seyffenstein, noch auf Michael Häupls Lehrer-Kritik witzig. Zu allem Überdruss bot Roubinek bei der Premiere einer Zuschauerin geschwärzte Akten zum Vorlesen an. Und die las die Zeilen wirklich vor!
Natürlich trinkt auch dieser Frosch – und zwar Slibowitz. Das gehört zum Regiekonzept. Denn fast jeder in dieser Operette braucht einen Problemlöser. Gabriel, der Schwerenöter (bübisch: Sebastian Reinthaller), genehmigt sich gleich zu Beginn ein Achterl rot. Sein intriganter Spezi Falke (ohne Kanten: Sebastian Huppmann) tut sich am Flachmann gütlich. Der stürmische Liebhaber Alfred im schottischen Kilt (niedlich: Glenn Desmedt) säuft sich mit Whiskey ins glückliche Vergessen, beim russischen Prinzen Orlofsky (trotz Capri-Hose dämonisch: Regina Schörg) gibt’s nicht nur Champagner, der bekanntlich an allem schuld ist, sondern auch reichlich Wodka. Da will Barbara Payha als resche Rosalinde nicht nachstehen: Sie schüttet die Notfalltropfen literweise.
Herausragend und in den hohen Lagen äußerst sicher ist aber eine, die den Alk nicht nötig hat: Katherina Melnikova als keckes Stubenmädl Adele. Das Orchester der Bühne Baden unter der Leitung von Franz Josef Breznik klang übrigens wie eine Blasmusikkapelle. Das lag aber wohl daran, dass das Glasdach geschlossen blieb.
KURIER-Wertung: