Kultur

Ein paar Ohrfeigen für James Bond, der Halsweh hat und überall Brüste sieht

Er ernährt sich diesmal ausschließlich von Eiern, trinkt Whisky, Gin, Weißwein, sogar Bier trinkt er zur Not ... und raucht bis zu 30 Zigaretten täglich.

Selbst wenn er Halsweh hat und Kopfweh und gerade erst aufgestanden ist, fällt ihm sofort eine hochgewachsene, langgliedrige Frau mit honigblonden Haaren auf, deren eng anliegender Hosenanzug (marineblau, goldfarbener Reißverschluss) „ihre vollen Brüste zur Geltung“ bringt.

Und schon fallen beim Vorstellungsgespräch die Zauberworte:

„Mein Name ist Bond, James Bond.“

Messerstich

Heute, Dienstag, erscheint „Solo“, der neue 007-Roman. Verfilmen wird man ihn bestimmt nicht. Zu teuer, denn man müsste jedem Zuschauer gleich nach dem Kinobesuch das Eintrittsgeld zurückzahlen.

Die Action beschränkt sich auf ein paar Ohrfeigen, die James Bond in Afrika bekommt.

Und in den USA tötet er einmal mittels wuchtigem Messerstich in den Nacken (und zwar mit großem Vergnügen).

Lesen kann man „Solo“ aber schon. Der schottische Schriftsteller William Boyd vom Jahrgang 1952 ist ein ruhiger, ein guter Erzähler, den Psychologisches halt mehr interessiert als wilde Verfolgungsjagden. Zumindest in den ersten drei Kapiteln macht er Kennern der 14 Romane Ian Flemings richtig Freude.

Die Familie des Bond-Erfinders Fleming (1908– 1964) hatte ihn beauftragt, eine offizielle Fortsetzung zu schreiben.

Alle paar Jahre sucht sie zu diesem Zweck einen Autor, man braucht ja schließlich Geld.

2008 vermied sie bei ihrer Wahl ebenfalls einen Thriller-Spezialisten, mit dem Ergebnis, dass James Bond mitunter etwas verloren wirkte: Er stand in einem Moskauer Telefonhüttl und schaffte es nicht, nach London durchzukommen.

Jetzt also William Boyd, der in Ghana auf die Welt gekommen ist und von dem der Roman „Eine große Zeit“ stammt – Wien 1913 mit Psychoanalyse und Spionage.

Auf der Werbetour für sein 007-Buch hat er in London gleich bekannt gegeben, dass er den Schauspieler Daniel Craig nicht für die beste Wahl hält. Boyd meint, nur einer könne James Bond so spielen, wie Ian Fleming ihn beschrieben habe – der dreifache Oscar-Preisträger Daniel Day-Lewis.

Bürgerkrieg

„Solo“ geht ins Jahr 1969 zurück, der Held – Boyd hält sich ans Geburtsjahr 1924 – feiert gerade (ganz allein) seinen 45. Geburtstag.

Danach muss er ins fiktive westafrikanische Land Zanzarim. Dort ist Bürgerkrieg – man muss an Biafra denken –, und James Bond soll ihn beenden.

Einfach so.

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Bald wird er merken: Sein Einsatz hat überhaupt nichts mit Nächstenliebe von seinem Chef M zu tun, vielmehr geht es bloß darum, Engländern und Amerikanern einen Platz an der Sonne zu sichern – nämlich beim Erdöl.

Das ist nicht besonders spannend. Aber James Bond kann dadurch immerhin Bekanntschaft mit einer afrikanischen Kollegin machen, deren „kleine Brustwarze unter ihrer transparenten Gazebluse deutlich zu erkennen“ ist.

Und wenn er in London weilt, darf er einen Sportwagen Jensen Interceptor fahren. Wenn Bond den Duft des neuen Leders einsaugt – was wird er da wohl spüren?

Sehr richtig, „eine aphrodisische Wirkung“.

KURIER-Wertung:

INFO: William Boyd: „Solo“ Ein James-Bond- Roman. Übersetzt von Patricia Klobusiczky. Berlin Verlag. 365 Seiten. 20,60 Euro.

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