Kultur

"Ein letztes Denkmal für sein Talent"

Es ist ein ruhiges Stück Themse, dieser Abschnitt westlich des Hampton Court Palace: Kein Auto ist zu hören, nur Grün ist zu sehen. Oder kleine Holzkähne und blühende Hecken an den Ufern. Nur bei Garrick’s Ait, einer winzigen Insel, verstellt ein fast 30 Meter langes Hausboot den Blick auf die idyllischen Gärten am Wasser: Die Astoria, 1911 für den Musical-Produzenten Fred Karno erbaut, zwischendurch von Charlie Chaplin bewohnt.

Vor einem Jahr wurde das historische Boot mit der schmiedeeisernen Dachterrasse Schauplatz einer genauso sensationellen wie überraschenden Reunion: Gitarrist David Gilmour und Drummer Nick Mason fanden sich zusammen, um dort ein neues Pink-Floyd-Album aufzunehmen. Denn seit 1986 ist die Astoria im Besitz von Gilmour, der es zu einem Tonstudio umgebaut hat.

Erstes Album seit ’94

Das jüngste Produkt aus dem Astoria-Studio heißt "The Endless River", erscheint Freitag und ist das erste Album von Pink Floyd seit "Division Bell" von 1994.

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Und obwohl 20 Jahre dazwischen liegen, schließt die Platte direkt an den Vorgänger an. Schließlich basiert das neue Werk auf den Sessions für das "Division Bell"-Album, die damals noch mit dem 2008 verstorbenen Keyboarder Rick Wright aufgenommen wurden.

"Nach diesen Sessions hatten wir so viele Instrumental-Stücke, von denen nur neun zu Songs auf ,Division Bell‘ wurden", erklärt Gilmour. "Jetzt, nachdem Rick gegangen ist, erschien es mir richtig, dass wir diese Tracks überarbeiten, veröffentlichen und zum Teil unseres Repertoires werden lassen."

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Ein "neues" Repertoire, das alles bietet, was die Fans an Pink Floyd lieben: Luftige Synthesizer, schwebende Orgeln und Gilmours sanfte Gitarren-Soli. Dazwischen akustische Passagen, aber auch experimentellere, das typische An- und Abschwellen von dicht verwobenen Klanglandschaften.

Nur eines fehlt weitgehend: David Gilmours Gesang. "The Endless River" ist ein Instrumental-Album, das in vier Sektionen gegliedert ist. Erst am Ende gibt es mit "Louder Than Words" einen einzigen Song. In dem beschreibt Gilmour die zwischendurch auch angespannten Beziehungen der Bandmitglieder, kommt aber zu dem Schluss, dass "das Ding, das wir machen" doch lauter als alle Worte spricht.

Letztes Denkmal

Das klingt wie ein letzter Abgesang auf Pink Floyd und ist er vermutlich auch. Denn Gilmour macht kein Geheimnis daraus, dass er das Kapitel als abgeschlossen sieht: "Mit Rick ist auch die Chance gegangen, dass wir es je wieder als Band angehen. ,The Endless River‘ ist ein letztes Denkmal für sein Talent."

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Den Titel hat das neue Pink-Floyd-Album nicht nur, weil ein Instrumentalstück ins andere fließt, sondern auch, weil ein Großteil der Bearbeitungen und Zusatz-Aufnahmen auf der Astoria erledigt wurden. Sowohl im Aufnahmeraum am Bug als auch im Kontrollraum im Heck des Bootes hat man das Gefühl, direkt vom Strom umgeben zu sein. Dazwischen liegen zwei kleine Schlafzimmer ein Geräte-Raum, Küche und Bad – alles in den Originalmaterialien renoviert, erhalten, wie die Astoria einst gebaut wurde.

Gerne kommt Gilmour auch hierher, wenn er nicht im Studio arbeiten muss. Dann setzt er sich oben auf das Außendeck, bestellt sich Lunch, plaudert mit Langley Iddins, der auf dem zum Studio gehörenden Ufer-Grundstück wohnt und in Pink-Floyd-Videos den Ruderer spielt. Oder Gilmour genießt einfach nur den Blick auf die Themse, den Sonnenuntergang und ein Glas Wein.

Es sei diese friedliche, besinnliche Atmosphäre auf der Astoria, sagt er, die ihn immer wieder inspiriere, Musik zu machen – sowohl anno dazumal, als auch heute für "The Endless River".