Kultur

Ein Kleinkunst-Logiker beim Gehirn-Jogging

Der Mensch hat sich ja schon vieles eingebildet. Dass er die Welt versteht. Dass die Erde eine Scheibe und der Erdling der Mittelpunkt des Universums ist. Und Gott die Zentralfigur der Hoffnung. Darüber, wie wir uns selber buchstäblich auf den Leim gehen, spintisiert Gunkl in seinem zehnten Solo: "Die großen Kränkungen der Menschheit". Über philosophische Problemzonen. Er widmet sich mit geistreicher Eleganz wieder mit Vorliebe Fragen, die sich so leicht gar nicht stellen. Die auch "brachial wurscht sind" fürs tägliche Leben. Oder "im allgemeinen Erlebnis-Parcours", wie es der Philosoph unter den Kabarettisten mundgerecht formuliert.

Ein Querdenker

So ist er: Irgendwie blitzg'scheit und irgendwie komisch, "wie er in groben Keilen an der Menschheit herumaxt". Wie er den Aufmerksamen auf erstaunliche Zusammenhänge hinweist. Er führt uns an der Hand hinein ins große Labyrinth der Gehirnwindungen und macht uns mit messerscharfem Verstand deutlich, dass es dort so etwas wie Blinddärme des Denkens geben muss. Wo die Paradoxien wohnen. "Auch wenn es uns zunächst gut geht: Sobald es einem, den wir kennen, besser geht, geht's uns selber gleich viel schlechter."

Lebensbetrachtungen

Der Hirnakrobat taucht ab ins Unbewusste, kalauert und widerlegt ganz nebenbei Sigmund Freud im Erzählfluss mit präzis gesetzten Pointen. Seine tiefen Einsichten in Kombination mit geistreichem Witz provozieren ein staunendes Schmunzeln nach dem anderen.
Was kränkt? Dass wir die Religion immer noch nötig haben, als hätte es 200 Jahre Aufklärung nicht gegeben. Dass "tief hinter dem Horizont der Vernunft" heute noch das finsterste Mittelalter fröhliche Urständ' feiert. Er erinnert neben anderen gedanklichen Hochseilakten sehr bodenständig daran, dass "die Götter immer gestorben sind mit den Kulturen" im Lauf der Geschichte. Wir wissen jetzt, dass Konservative einen größeren Mandelkern im Hirn haben - auch Amygdalae genannt - und häufiger auf Angst programmiert sind als fortschrittliche Zeitgenossen. Und er seziert, was unsereiner gedankenlos den "freien Willen" nennt. Oder "Mitgefühl". Und wie das ist mit den Krokodilen und den Soziopathen, die sich gern als Führungskräfte in Wirtschaftsunternehmen tarnen. Oder er stellt unwiderlegbar fest: "Nicht die Welt ist im Markt, sondern der Markt in der Welt." Und der freie Markt sollte nur mit den Freiheiten ausgestattet sein, die wir ihm zugestehen.

Am Ende entlässt er uns mit Tröstlichem als Rezept: "Tun wir so, als könnten wir uns anständig verhalten, obwohl wir wissen, dass uns das nicht immer gelingt. Und wenn es uns nicht gelingt, sagen wir nicht: Es ist menschlich ..." Es genüge schon, das wir unsere Sache möglichst besser machen, als es sein muss.

KURIER-Wertung: ***** von (*****)