Ein frischer Blick auf den Kanzler
Von Christian Böhmer
Metternich „war ein warmherziger, großzügiger Menschenfreund“.
Wie bitte? Stimmt das so? Aber ja, genauso steht es da auf Seite 9. Wer die knappe Biografie „Der kleine Metternich“ zur Hand nimmt, wird frühzeitig gewarnt. Denn sinngemäß lautet die Haltung des Autors so: Lieber Leser, bitte vergiss alle Stereotypen, die du über diesen unsympathischen Biedermeier-Schönling gehört hast. Es gibt viel mehr zu erzählen.
Clemens Wenzeslaus Nepomuk Lothar Graf von Metternich-Winneburg und Beilstein war ein politischer Hardliner, der ohne Zögern Armeen auf die Reise schickte, um Ziele durchzusetzen. Er war aber auch ein Intellektueller, der mit Goethe, Paganini und Humboldt korrespondierte, der privat als sanft galt – und ausnehmend vielschichtig war.
Von all dem erzählt Autor Stefan Müller in kurzweilig-flottem Ton.
Zwischen den einzelnen Kapiteln finden sich mit Humor verfasste Überblicksgrafiken. Da erfährt man die Namen der wichtigsten Freunde, Feinde und Liebschaften. An anderer Stelle werden Kleidung, Schlösser und die besten Stücke der fürstlichen Sammlung präsentiert (z. B. Talleyrands Spazierstock).
Müller ist anzumerken, dass er eine journalistische Vergangenheit hat. Er versteht es, bildhaft und nahe am Leser zu formulieren. Und die meisten Informationshappen sind leicht verdaulich portioniert.
Am 15. Mai jährt sich der Geburtstag des früheren Staatskanzlers zum 250. Mal. Wenn stimmt, was Müller schreibt – dass nämlich Metternich sehr viel für Schnurren und Pointen übrig hatte – darf man getrost annehmen: Er hätte Vergnügen an dieser Biografie gefunden.