Egon Schieles "Vier Bäume": Zweifelhafte Erwerbung
Von Thomas Trenkler
Das Ölgemälde „Vier Bäume“ aus 1917, von Rudolf Leopold als „das gelungenste Landschaftsbild“ von Egon Schiele bezeichnet, hat einen eigenen Geruch. Denn Bruno Grimschitz, Belvedere-Direktor in der NS-Zeit, erwarb es 1943 von der Galerie L. T. Neumann, die gerne Werke feilbot, die Juden zurücklassen oder in der Not weit unter Wert verkaufen mussten.
In der Ausstellung „Egon Schiele. Wege einer Sammlung“ hängt dieses Gemälde – ergänzt um Landschaftsgemälde anderer Künstler, aber ohne den Hinweis, dass es sich um eine zweifelhafte Erwerbung handeln könnte. Man findet lediglich den Satz, dass dieses Werk das einzige des Schiele-Bestands sei, „das eine mehrjährige Lücke in der Provenienz“ aufweise. Der letzte bekannte Besitzer war der Handelsangestellte Josef Morgenstern.
Er und seine Frau Alice Morgenstern wollten im Juli 1938, drei Monate nach dem „Anschluss“, nach Nordamerika fliehen. Doch sie kamen nie an: Josef Morgenstern wurde verhaftet, in Frankreich interniert – und dürfte 1943 in Auschwitz ermordet worden sein. Seiner Frau gelang es, die NS-Zeit als „U-Boot“ in Brüssel zu überleben. Im Katalog zur Ausstellung heißt es weiter: „Die Ungewissheit über das Schicksal ihres Mannes zermürbte sie. Zudem hatte sie durch die Schoah vier Geschwister verloren.“ Nach Kriegsende stellte sie Anträge an den Hilfsfonds politisch Verfolgter. Sie starb verarmt 1970.
Auf KURIER-Nachfrage erklärte Kuratorin Kerstin Jesse, dass vom Belvedere ein Dossier angefertigt worden sei. Der Kunstrückgabebeirat wird sich also mit dem möglichen Raubkunstfall beschäftigen.