Dietrich und Hemingway - eine Romanze
Von Peter Pisa
Marlene Dietrich hatte nie Sex mit Ernest Hemingway. Das ist schon deshalb erwähnenswert, weil sie, mitunter parallel, mit John Wayne und Jean Gabin und Yul Brynner und Frank Sinatra und General Patton und Generalmajor Gavin und mit der Piaf und mit Erich Maria Remarque (sollen wir die Seite nur mit Namen füllen?) ... obwohl, deponieren wir das auch gleich an dieser Stelle, eigentlich ging ihr dieses Theater ziemlich gegen den Strich. Sie mache "so was" halt, um zu trösten, um zu gefallen. Aber sicher nicht aus Befriedigung.
Möge keiner sagen, hier werde vom Thema abgeschweift! Sex war eines der Hauptthemen im Briefwechsel zwischen Marlene Dietrich und Ernest Hemingway. Warum sie lieber nicht miteinander ins Bett sollten – nämlich: "Ungestilltes Verlangen ist von größerer Dauer" (Marlene). Zum Herzausschütten hatten sie einander. Oft auch persönlich auf Reisen, im Pariser Ritz. Dann lag er in der Wanne und rasierte sich. Sie saß am Rand und erzählte von ihren Männern. Eine völlig ungezwungene Beziehung, gegen die selbst Hemingways vierte Frau Mary keinen Einwand hatte. Einmal schenkte die Dietrich dem Paar ein Doppelbett aus dem Ritz. Unbeabsichtigterweise inkl. Wanzen. Marlene & Ernest: Die beiden hatten einander auf einem Schiff von Le Havre nach New York kennengelernt. Angeblich wollte sich die abergläubische Schauspielerin gerade zum Abendessen an einen Tisch setzen, als sie merkte, dass sie die 13. sein würde – da sprang Ernest Hemingway dazwischen, schon war sie die glückliche 14. Das war 1934. Sie 32 und als "fesche Lola" berühmt. Er um zwei Jahre älter und mit "Fiesta" und Abenteuern bekannt geworden. Der Beginn einer Freundschaft, die bis zum Selbstmord des Literatur-Nobelpreisträgers, 1961, hielt.
Papa und Kraut
Dutzende Briefe Hemingways an "dear little Kraut", wie er die Deutsche liebevoll nannte, bzw von Marlene Dietrich an "Papa, geliebter" wurden von der Kennedy Library in Boston freigegeben. Hemingway-Biograf Hans-Peter Rodenberg, Professor für Medienwissenschaft in Hamburg, hat sie in die Lebensgeschichten eingearbeitet – mit Unterstützung von Maria Riva, Tochter der Dietrich, von der der Satz stammt: "Sich im überfüllten sexuellen Kalender meiner Mutter zurechtzufinden, ist ein Ding der Unmöglichkeit." Marlene & Ernest: Zwei Ikonen auf dem Weg in die unendliche Leere, die nach dem Höhenflug kommt. Sie waren einander ähnlich. Sie mythisierten sich selbst – durch die Leinwand bzw. durch Angebereien –, und vor emotionaler Hingabe hatten sie große Angst. Hemingway war schüchtern. Ein Draufgänger, der zwei Flugzeugabstürze überlebte. Aber schüchtern bei Frauen. Es gibt die Theorie, dass er mit seinen wahnsinnig idiotischen Prahlereien – etwa, dass er als Kriegsberichterstatter deutsche Soldaten erschossen habe; was nicht stimmt – seinen starken weichen, weiblichen Teil verdrängen wollte. Marlene Dietrich wäre gern ein Mann gewesen.
Die Liebenden: Zwei Legenden
Marlene (1901–1992): In Berlin wuchs sie auf, spielte ab 1922 Theater, hatte 1930 mit "Der blaue Engel" den internationalen Durchbruch. Sie folgte Regisseur Josef von Sternberg nach Hollywood, wurde 1939 amerikanische Staatsbürgerin, engagierte sich gegen das NS-Regime. Ab den 1950er-Jahren stand sie überwiegend als Sängerin auf den Bühnen. 50 Jahre war sie mit dem Filmproduzenten Rudolf Sieber verheiratet.
Ernest (1899–1961): Mit 18 begann der Amerikaner seine journalistische Laufbahn. In Paris schrieb er Kurzgeschichten, von denen einige zu Klassikern wurden. "Fiesta" (1926) war sein erster Romanerfolg. 1936: "Schnee auf dem Kilimandscharo"; 1939: "Wem die Stunde schlägt"; 1952: "Der alte Mann und das Meer" (fünf Millionen verkaufte Bücher in zwei Tagen) Auf den Nobelpreis 1954 folgten bis zum Tod Depressionen.