Kultur

Dies hier ist keine Szeneausstellung

Vielleicht ist am Ende alles nur eine Frage der Rhetorik. Der einstige Chef der Kunsthalle Wien, Gerald Matt, schwadronierte gern von seiner Institution als „Trägerrakete“ für Trends und internationale Künstlerkarrieren. Als Startrampe nutzte er das Format „Lebt und arbeitet in Wien“, das alle fünf Jahre die Szene der Stadt vorstellte. Externe Kuratoren sollten dem Projekt damals Glanz und Glaubwürdigkeit verleihen.

Nicolaus Schafhausen, Matts Nachfolger, führt das Konzept nun mit umgekehrten Vorzeichen weiter: Das Team der Kunsthalle betont zunächst, was die Schau „Destination Wien“, (bis 31.5. in der Kunsthalle im MuseumsQuartier; Performances in der Kunsthalle am Karlsplatz), alles nicht ist. Keine Szene-Schau. Keine Präsentation kommender Kunstmarkt-Stars. Kein Ritterschlag internationaler Jetset-Kuratoren für heimische Hoffnungsträger. Dafür wird ein „größtmöglicher Weitwinkel“ angestrebt.

Nur nicht festlegen!

Es ist dem fünfköpfigen Kuratorenteam der Kunsthalle, das aus fast 900 Einreichungen auswählte, hoch anzurechnen, dass es „Weitwinkel“ nicht mit „Schwammigkeit“ übersetzt hat: Denn die Schau im MuseumsQuartier ist in sich durchaus stimmig geworden. Auf den zwei Ebenen der Halle finden sich wundersame Apparate, die Ahornsamen durch ein Gebläse in Schwebe halten (Paul Leitner); filigrane 3-D-Objekte aus Draht (Constantin Luser) oder Zwirn (Jenni Tischer); Fotos von Fotoalben, aus denen die Bilder der Jahre 1939–’45 entfernt wurden (Johann Schoiswohl) oder auf denen die Gruppe G.R.A.M. ein Politikerfoto bei den Wiener Iran-Atom-Gesprächen 2014 nachstellte. „Der Wiener Minimalkonsens“ heißt die Arbeit.

Möchte man in dieser Nicht-Thesenschau einen gemeinsamen Nenner finden, dann sticht wohl am ehesten die Selbstbezüglichkeit ins Auge: Viele Künstler widmen sich den Bedingungen ihres Tuns, manche (Misha Stroj, Heinz Frank) übersetzen Sprache in Objekte und vice versa. Einige zelebrieren die Faszination geschlossener Systeme, ob aus der Science-Fiction (Ralo Mayer), der Natur (Karin Pliem) der Kunst (Marina Faust).

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Es bleibt die Frage, was diese garantiert nicht-objektive Schau über Wien aussagt. Die Schau negiert lokale Spezifika undersetzt sie mit dem omnipräsenten Gestus, alles zu „hinterfragen“. Einen zeitlichen Vorsprung hat Wien dabei nicht – die Entscheidung, Kunst auf recycleten Stehern und unverputzten Gips-Wänden statt auf weißen Flächen zu präsentieren, schmeckt schon nach abgestandenem Diskursbier.

Auch die Verweigerung von großen Gesten – ob nun von ego-gefestigten Künstlern oder Kuratoren – wird wohl eines Tages als typisch für unsere Zeit betrachtet werden. Wien hat in diesem Sinn den Anschluss an internationale Trends geschafft. Vielleicht kommt wieder eine Zeit, in der sich eine Szene nicht mehr bloß ex negativo definiert.