Die Vermutung ist eine Zumutung
Von Peter Pisa
Das könnten "wir" sein bzw. nah dran könnten "wir" sein:
Wachen in der Psychiatrie auf. Erinnern uns nicht, wann der erste Tag in der Anstalt war.
"Nicht Anstalt!", schimpft der große Blabla, damit wird wohl der Psychiater gemeint sein. Sanatorium heißt das. Aber der große Blabla redet viel. Alles ist Anstalt, das Leben früher draußen und jetzt hier.
Der Roman "Herz" ist eine Verfassung (steht auf dem Umschlag), verfasst vom Wiener Alfred Goubran, 53, der gleichermaßen Schriftsteller und Musiker ist.
Sein "Held" heißt Muschg und ist in schlechter Verfassung. Möchten denn SIE jeden Morgen von Schwester Anke, ihrem schlechten Atem und der Dunstwolke aus Fett und Bratensäften geweckt werden? Na eben.
Vielleicht war ihm alles zu viel, da hat er durchgedreht und wurde deshalb eingewiesen. Muschg kann nur vermuten, was genau passiert ist. Er ist eine Vermutung, und seine Rederei ist eine Zumutung, wie sie seit dem Tod von Thomas Bernhard schmerzlich abgeht. Gesellschaftskritik, kunstvoll verpackt.
Lasst ihn schimpfen!
Geschlossen
Muschg hält einen inneren Monolog. Er hat das Gefühl, es ist immer der 17. März. Er entkommt der Routine nicht. Ein Theaternarr, der als Theaterdisponent arbeitete ... Spielt ihm jemand etwas vor?
Hat er sicher in etwas hineintheatert?
Muschg hat eine andere Vorstellung vom Theater. Ihm war das System zu "geschlossen" ... Das Theater, eine geschlossene Anstalt.
Der Weg zum großen Blabla steht allen offen.
Alfred Goubran:
„Herz“
Braumüller Verlag.
192 Seiten.
20 Euro.
KURIER-Wertung: ****