Kultur

Triumphzug zum Abschluss

Als die Band Freitag zum ersten von zwei Tourfinale-Konzerten in ihrer Heimatstadt Düsseldorf antrat, begannen 47.000 Fans zur Einstimmung auf den Abend gleich nach dem Vorprogramm „You'll Never Walk Alone“ in das Fußballstadion "Esprit-Arena" zu schmettern - alle glücklich, hier zu sein (das erste Konzert war in zwei Stunden ausverkauft, das zweite in vier), alle mit dem festen Willen, ihre Band zum Abschluss gebührend zu feiern.

Denn nach dem Ende dieser "Krach der Republik"-Tournee werden die Toten Hosen erst einmal Pause machen. Nach einem gemeinsamen Urlaub in November „werden wir zwei Jahre Ruhe geben“, erklärte Sänger Campino Tags zuvor bei einer Pressekonferenz. Erst wenn wieder Ruhe einkehre, könne man sich überlegen, wie es musikalisch weitergehen kann. Denn nach dem Sensations-Erfolg der Single „Tage wie diese“ vorigen Sommer müsse sich die Band erst einmal zutrauen, neue Wege zu beschreiten.

Tage wie diese

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Aber es ist bei weitem nicht dieser Hit alleine, der die Stimmung in der Esprit-Arena schon vor Campinos erstem Schrei ins Mikro so prickelnd macht. Klar, dieser Song hat dafür gesorgt, dass die Band im 30. Karrierejahr, so erfolgreich war wie nie zuvor, dass die hier zu Ende gehende Tour 1,5 Millionen Besucher hatte, und dass das Quintett im Radio so präsent war, dass „Tage wie diese“ zu einer Phrase geworden ist, die auf Geburtstagskarten steht.

Aber was die Düsseldorfer seit jeher auszeichnet, ist das unwiderstehliche Rundumpaket, das sie live bieten: Hymnische Songs mit Mitsingmelodien, einen Drive im Spiel mit den Powergitarren, der trotz Routine nie leidenschaftslos wurde. Und den charismatischsten Frontmann der deutschen Szene.


Mit 51 ist Campino geschmeidig wie ein Katze, er springt und hüpft wie ein 20-Jähriger, bevor er immer wieder in seine Markenzeichen-Pose geht: Ein Bein fast wie im Spagat nach hinten gestreckt, das andere gebeugt, dass jedem Durchschnittsbürger das Knie schmerzen würde. Dazu eine Hand am Mikro, die andere beschwörend ins Publikum gestreckt.

Das wirkt: Die Fans sind vom zweiten Song "Altes Fieber" an zu einem mächtigen Massenchor zusammengeschweißt. Nur gelegentlich strauchelt der, wenn Textpassagen viele Worte in kurze Zeit packen. Aber sonst steht er felsenfest in dem überdachten Stadion. „Bonnie & Clyde“, „Pushed Again“ und „Paradies“ hören - und fühlen - sich an, als wären die 47.000 auch vollwertige Mitglieder der Band. Die Mutmach-Hymne „Steh auf, wenn du am Boden bist“ singen sie füreinander. Und alles andere miteinnander. Zweieinhalb Stunden lang. Dazu hüpft ein kleines Mädchen, das gerade einen Milchzahn verloren hat, mit der Oma herum. Ein Bierverkäufer vergisst aufs Verkaufen und wedelt mit den Armen. Ein Pärchen in weißen Hippie-Kaftans kuschelt und knutscht sich durch diese Fülle von perfekten Momenten und ein Typ in Anzug fällt einem Rocker mit Tattoos und wallender Mähne um den Hals. Und jeder geht mit jedem achtsam um. Da gibt es keine Randalierer und kaum Betrunkene. Denn das ist eine Atmophäre, die man unvernebelt genießen will.

Mischung aus Spaß und Botschaft

Und die basiert sicher nicht nur auf dem Super-Hit "Tage wie diese". Vielmehr ist es diese perfekete Mischung aus Spaß, Botschaft und Bodenständigkeit, die die Toten Hosen bieten. Sie schafft es, Menschen aller Alters- und Herkunftsklassen zu vereinen und so die Stimmung in der Esprit Arena anstatt exzessiv feiernd so rührend feierlich zu machen. Es ist die Tatsache, dass Campino mühelos von „Eisgekühlter Bommerlunder“ zu Anti-Nazi-Songs wechseln kann, dass er vor „Europa“ eindringliche Worte über die Situation der Bootsflüchtlinge findet und sich danach mit Kampf-Geschrei in „Zehn kleine Jägermeister“ stürzt. Und die Tatsache, dass er in beidem glaubwürdig ist, weil er sowohl die humane Haltung als auch den Party-Spaß meint und lebt.

Deshalb ist "You'll Never Walk Alone" am Schluss - jetzt mit Band und an der traditionell richtigen Stelle - das Ende eines Triumphzuges, mit dem die Toten Hosen einmal mehr das Gemeinschaftsgefühl nicht nur besungen, sondern erfahrbar gemacht haben.

Schön, dass das dank "Tage wie diese" jetzt noch viel mehr Menschen zugänglich ist.

Die Toten Hosen in Graz

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