Die Schöne am Golf von Biscaya
"Kultur für das Zusammenleben" ist das Leitmotiv – nicht selbstverständlich im terrorgeplagten Baskenland. San Sebastián, baskisch "Donostia" und – seit dem 19. Jahrhundert die Sommerresidenz des spanischen Königshauses – liegt mit seinen traumhaften Stränden und saftig-grünen Hügeln in einer der schönsten Gegenden Europas.
Das alte Seebad am Golf von Biscaya ist vieles: Die Schöne mit der Muschelbucht, Surfdestination, Film und Festivalstadt sowie Feinschmeckerparadies.
Ohne spektakuläre Showeffekte und ohne große Namen will man heuer auskommen, und vor allem die Chance nützen, die örtliche "Geschichte der Gewalt" zu überwinden und den baskisch-spanischen Konflikt hinter sich zu lassen. Multikulturell und fröhlich will man gesehen werden. Für die junge Generation ist das Kulturjahr auch eine Chance, international neu wahrgenommen zu werden.
Das 2011 sanierte und spektakulär modern erweiterte San Telmo Museum erlaubt einen Schnelldurchgang durch die Geschichte des Baskenlandes von den frühesten Ausgrabungen über Folklore und Alltagsleben bis zur Jetztzeit.
"Schon jetzt ist das kulturelle Angebot für eine Stadt mit nur 185.000 Einwohnern sehr groß", sagt Xabier Paya, Direktor des EU-Kulturhauptstadtprogrammes.
Sogar die "Tamborrada", das Trommelfest, das am 20. 1., dem Tag des Heiligen Sebastian, das Kulturhauptstadtjahr eröffnen wird, ist keine neue Erfindung, sondern hat schon Tradition.
Eine große Ausstellung präsentiert Beispiele für gelungene Friedensverträge.
Der Schwerpunkt "Leben" soll die Alltagsentwicklung der Menschen in San Sebastián vorantreiben und sie lehren, in die Stadtplanung einzugreifen.
Bei "Stimmen" sollen etwa bei einem "Mittsommernachtstraum" am späten Abend des 21. 6. open Air in einem Park 300 Menschen den Schauspielern querfeldein folgen; zu Ehren des 400. Todestages von Shakespeare wird das Stück erstmals ins Baskische übersetzt. Außerdem sollen internationale Künstler bei einem Antikriegsfestival Werke für die Menschenrechte erarbeiten.
Programm
Eröffnet wird das Kulturhauptstadtjahr in San Sebastián mit einem dichten Veranstaltungsreigen von 20. bis 24. Jänner: Der rankt sich um drei Achsen, die als „Themen-Leuchttürme“ bezeichnet werden und die Namen „Frieden“, „Leben“ und „Stimmen“ tragen.
Auf einem Theater-Forum werden Stücke aufgeführt, die sich mit dem Konflikt im Baskenland befassen. Eine Delegation der Kulturhauptstadt wird andere Konflikt-Brennpunkte besuchen, wie Belfast oder Sarajevo.
Die Kochkunst und die Gastronomie spielen eine wichtige Rolle im Programm. Beim „Festival Music Box“ gibt es eine Serie von Konzerten. Eine Ausstellung unter dem Titel „Friedensverträge“ wird 300 Kunstwerke europäischer Meister zeigen, die 21 Museen zur Verfügung stellen. Und das Internationale Filmfestival von San Sebastián ist Teil des kulturellen Großaufgebots.
Der Pink-Floyd-Gitarrist David Gilmour wird hier in die Saiten greifen, der polnische Jazzpianist Leszek Mozdzer in die Tasten hauen – das Konzert am spätgotischen Marktplatz im Juni wird einer der Höhepunkte von Breslau als Kulturhauptstadt Europas.
Nach Krakau trägt mit Breslau die zweite polnische Stadt den von der Europäischen Union verliehenen Titel. Wroclaw, wie die Stadt auf Polnisch heißt, blickt auf eine wechselvolle Geschichte mit deutschen, polnischen, böhmischen und ungarischen Herrschern zurück.
Aber zum Auftakt inszeniert der Brite Chris Baldwin am 17. Jänner zum "Erwachen" der Stadt vier große Umzüge – Symbol für vier Geister, die ihr Wesen ausmachen: Innovation, Wiederaufbau, Hochwasser und viele Bekenntnisse.
Letzteres kommt in Henry Purcells Barockmusikspiel "Die Feenkönigin" zur Wirkung, das im Sommer mit Alten, Kindern aus Heimen und Vertretern von Minderheiten unter der Regie von Michal Zarnecki aufgeführt wird. "Das ist keine Sozialtherapie", so die Regieassistentin und Produzentin Zofia Dowjat, "wir arbeiten mit professionellen Schauspielern zusammen und proben konsequent."
Unter den Darstellern sind orthodoxe Ukrainer – viele vor Kurzem vor dem Krieg geflohen – und ältere, meist evangelische deutsche Damen, die vor Kriegsende 1945 in der damals drittgrößten Stadt Deutschlands geboren wurden.
Sie dürfen ihre persönliche Geschichte erzählen und dabei improvisieren. Und "Improvisation" ist ein gutes Stichwort, weil in Polen eine Art Geisteshaltung. Nicht umsonst nennt sich eine der beliebtesten Breslauer Theatergruppen "Impokracja", bei der in der Kulturkneipe "Sanatorium" die Zuschauer mit Zetteln und Zurufen die Handlung steuern. Vor allem Anspielungen ans nationalkonservative Programm der neuen Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) sorgen für Gelächter.
Aufgrund der politischen Situation in Polen hat die Nürnberger Zeitung bereits eine geplante Leserreise nach Breslau abgesagt, so die liberale Gazeta Wyborcza, die befürchtet, dass weitere Besucher ausbleiben könnten.
Zuletzt gab es Ärger um eine Aufführung von Elfriede Jelineks "Der Tod und das Mädchen" im Teatr Polski wegen angeblich pornografischer Handlungen. Der neue Kulturminister Piotr Glinski versuchte im November vergeblich ein Verbot der Produktion durchzusetzen.
Starke rechte Szene
Und seit den Parlamentswahlen im Oktober agieren in der populistischen Partei "Kukiz15" auch zehn Mitglieder des nationalistischen Spektrums im Sejm – dies ermunterte die rechtsextreme Organisation "Nationalradikales Lager" (ONR) letztens, den Marktplatz für ihre fremdenfeindlichen Sprüche zu nutzen.
"Breslau ist eine sehr offene Stadt", sagt Manuela Plizga-Jonarska, zuständig für den interkulturellen Dialog in Breslau. Das habe auch Nachteile. "Wir haben vielleicht nicht so gut gelernt, gegenüber Hetze auch Stopp zu sagen." Doch wie kann man es den Rechtsextremen verwehren, die Festivitäten als Podium zu nutzen? Im Rathaus wird gerade nach Lösungen gesucht.