Kultur

Die Schätze von "Mister Sotheby's"

Über 60 Jahre hinweg hingen die Werke über Sofas, in Kabinetten und Salons, doch Alfred A. Taubman empfing eher selten Besuch. Die bevorstehende Auktion seiner über 500 Werke starken Kunstsammlung, die Sotheby’s ab 4. November in mehreren Etappen abhält, ermöglicht also faszinierende Einblicke: In den Geschmack und Lebenslauf eines schwerreichen Magnaten, inStreitigkeiten seiner Familie, aber auch in die Geschäftspraktiken einer Branche, die unter zunehmend extremem Konkurrenzdruck agiert.

Klimt und Schiele

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Unbestritten bleibt, dass Alfred A. Taubman bis ins hohe Alter – er wurde 91 – Geschmack besaß: Aus österreichischer Sicht ist besonders seine Kollektion von Werken der Wiener Moderne bemerkenswert. Neben dem Schiele-Werk „Freundin Rosa-Blau“ von 1913, das einst „Metropolis“-Regisseur Fritz Lang gehörte (großes Bild, Schätzwert 2,5 – 3,5 Mio. US-Dollar), findet sich im Katalog ein erotisches Blatt aus Vorbesitz des Schauspielers Sean Connery (1 – 1,5 Mio. US-Dollar). Ein Ölgemälde einer „Dame mit Federhut“ von Richard Gerstl, das Taubman 1985 Rudolf Leopold abkaufte, ist ebenso im Angebot (600.000 – 800.000 US-Dollar).

Ob all dies nun den Weg in die Wohnzimmer von Privatleuten oder doch auch in öffentliche Sammlungen finden wird, bleibt ungewiss: Die Preisvorstellungen für Spitzenwerke sind hoch.

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500 Millionen US-Dollar, das belegen Dokumente der US-Börsenaufsichtsbehörde, bot Sotheby’s den Erben des im April 2015 verstorbenen Alfred A. Taubman als Garantie, um die Kunstsammlung des Milliardärs versteigern zu dürfen. Taubman, der sein Vermögen ursprünglich mit dem Bau von Shopping-Malls gemacht hatte, hatte zwar das Auktionshaus 1983 selbst gekauft und in der Folge an die Börse gebracht – ein „Vorrecht“ auf die Kunstschätze des Unternehmers ergab sich daraus aber nicht.
In einem Markt, in dem wirklich außergewöhnliche, museumswürdige Kunst immer rarer wird, versuchen die großen Auktionshäuser bereits seit langem, Top-Einbingungen mit hohen Garantiesummen an sich zu binden – bis zu dem Punkt, an dem selbst millionenschwere Verkäufe nur mehr schmale Gewinnspannen übrig lassen. Die 500-Millionen-Garantie von Sotheby’s markiert in diesem Spiel einen neuen Rekord – die Firma, die zuletzt massiv unter Druck von Aktionären stand, riskiert viel. Wenn die Auktion weniger als die avisierten 500 Millionen einbringt, muss das Haus für die Differenz aufkommen.

Die Werbemaschine läuft daher auf Hochtouren: In Image-Filmen, Magazinen und opulenten Features auf der Sotheby’s-Website sind die Anwesen in New York, Florida und Michigan zu sehen, in denen der Shopping-Mall-König zwischen Werken von Zeitgenossen wie Willem De Kooning und John Chamberlain, Klassikern wie Modigliani und Picasso oder Altmeistern wie Gainsborough hauste. Käufer können auch mit relatigünstigen Werken – eine Jean-Arp-Kleinskulptur ab 30.000 US-Dollar, eine Balthus-Zeichnung ab 25.000 – an dieser Grandezza teilhaben: Als Sotheby’s-Eigentümer wollte Taubman stets Schwellenangst abbauen und propagierte Glamour-Auktionen von Star-Memorabilien oder von Andy Warhols Keksdosen-Sammlung.

Glamour und Finsternis

Ein weniger glamouröses Kapitel der Taubman-Story blendet das Auktionshaus geflissentlich aus: 2001 wurde der Unternehmer wegen illegaler Preisabsprachen mit dem Konkurrenten Christie’s verurteilt und saß neuneinhalb Monate im Gefängnis. Durch das Kartell sollen Kunden um rund 100 Millionen US-Dollar geschädigt worden sein. Bis zuletzt sah Taubman seine Schuld nicht ein.

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Der Erlös der Mega-Auktion soll nun, nach Begleichung von Steuerschulden, in Taubmans wohltätige Stiftung fließen: Diese unterstützte bisher etwa die Universität von Michigan, wo Taubman Architektur studiert hatte, die Uni Harvard sowie das „Detroit Institute of the Arts“, kurz DIA.

Just das Museum in der finanziell gebeutelten Stadt verliert durch die Auktion nun aber acht Gemälde, die dort lange als Leihgabe hingen. Das Haus rechnet wohl mit Zuwendungen der Stiftung, in der Taubmans Kinder aus erster Ehe, nicht aber seine Witwe Judy sitzen: Diese wurde unlängst, als sie Bilder aus einer Londoner Wohnung holen wollte, von ihren Stiefkindern ausgesperrt, berichteten britische Medien. Immerhin konnte der Konflikt „ohne Gewalt“ gelöst werden, hieß es später.