Kultur

Die Melodie der Mörder und Musikliebhaber

Es gibt sie wirklich, diese Melodie, das Totenlied. Ein Walzer, komponiert von Tess Gerritsen persönlich – jener studierten Medizinerin, die in der Babypause beschloss, Bestsellerautorin zu werden und mittlerweile 40 Millionen Bücher weltweit verkauft hat.

Der Name ihres neuen Romans ist Programm – alles dreht sich um eine scheinbar Unheil bringende Melodie, die aus Venedig kommt. Wieder eine US-Autorin, die Venedig als Kulisse für ihre Romane auswählt. Als gäbe es keine anderen Städte, ist man geneigt zu denken. Warum es Venedig sein musste, erschließt sich noch – aber erst im zweiten Handlungsstrang, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.

Zuerst muss aber eine Katze sterben. Jene von Julia. Es passiert, als sie zum ersten Mal die Melodie aus Venedig spielt. Julias dreijährige Tochter ersticht den Kater mit einer Glasscheibe. Julia ist fassungslos. Es scheint, dass sie jedes Mal das Unheil heraufbeschwört, wenn sie die Melodie spielt. Bald zweifelt Julias Mann an ihrem Verstand, wenig später soll sie in eine Anstalt eingewiesen werden.

Bleibt nur die Flucht nach vorne – nach Venedig, um dem Fluch der Melodie auf den Grund zu gehen und ihm ein Ende zu setzen.

Was sich in Venedig rund um den Zweiten Weltkrieg abgespielt hat, erzählt der zweite Handlungsstrang. Es geht um die große Liebe zwischen dem Enkel eines jüdischen Geigenbauers und der Tochter eines angesehenen Uni-Professors in Venedig. Und um jene Dezembernacht im Jahr 1943, als die Machthaber etwa hundert Juden unter Sirenengeheul zusammentrieben haben, um sie in Arbeitslager zu schicken.

Feuer geht schnell aus

"Wie schnell man doch aus Menschen ein jämmerliches Häufchen Elend machen kann", schreibt Gerritsen.

"Nur ein paar Tage ohne Essen, ohne Bett und ohne Waschmöglichkeit, und schon war das Feuer in ihnen erloschen." Es ist gruselig. Und grausig. Wer die Musik hören will – die Violinistin Yi-Jia Susanne Hou spielt sie (www.susannehou.com).


Tess Gerritsen:
Totenlied
Übersetzt von Andreas Jäger.
Limes Verlag. 320 Seiten. 15,50 Euro.

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern