Die Manns: Eine nicht nur geniale Familie
Von Peter Pisa
Der Vater, innerhalb der Familie "Zauberer" genannt (von einer US-Journalistin als "gut geschnittener Spazierstock" bezeichnet):
Er schreibt einen Essay über die Ehe und lobt sie.
Und verliebt sich, 50 ist er , in einen 17-Jährigen.
... während sich die Mutter, die Ehefrau, freut, dass er seinen homosexuellen Neigungen eine Absage erteilt.
... während sich die drogensüchtige älteste Tochter in ihre Freundin verliebt.
(Der jüngste Sohn wird später mit einem Aktenkoffer mit eingebauter Whiskybar unterwegs sein.)
"Die Manns": Man war nicht immer nur genial.
So viele Bücher gibt es über Thomas und Katia Mann sowie Erika, Klaus, Golo, Monika, Elisabeth, Michael. Meist sind es Einzelporträts.
Biograf Tilmann Lahme "bewältigt" alle auf einmal. Parallel erzählt er, chronologisch inkl. Zeitgeschichte. Ein Erlebnis! Auch wer viel weiß, wird staunen und das Buch verschlingen.
Lahmes Liebling – nicht nur seiner – ist Golo Mann, "klug und mit abgründigem Witz." Aber am liebsten würde der Historiker und Germanist mit der Mutter, mit Katia, reden – "die das Familienschiff so robust und resolut steuert, für alle da ist und dabei diese unglaublich scharfe Zunge hat. Ein wenig fürchten müsste man sich vor ihr."
KURIER: Was hat Sie am meisten überrascht?Tilmann Lahme: Die Abgründe waren es. Wie sie einerseits zusammenhalten, wenn einer von außen angegriffen wird oder Hilfe braucht.
Beispiel?
Als Monika Mann auf einem Schiff vor dem Krieg aus Europa fliehen will, wird es von einem deutschen U-Boot bombardiert und versenkt. Ihr Mann ertrinkt, sie selbst wird nach vielen Stunden im Wasser gerettet. Ihre Schwester Erika reist sofort nach Schottland, steht der Schwester zur Seite und organisiert Monikas Reise zu den Eltern nach Amerika.
Andererseits verletzen sich die Manns häufig gegenseitig ...
Und gehen mit großer Härte miteinander um. Immer wieder gibt es Streit vor allem ums öffentliche Bild Thomas Manns und der Familie. Erika Mann übernimmt meistens die PR-Arbeit. Dabei erfindet sie Legenden und Geschichten, um den Kampf der Familie gegen die Nazis noch heldenhafter zu inszenieren, als er ohnehin war.
Monika Mann hat 1956 ein Erinnerungsbuch geschrieben, das von Erikas Linie abweicht.
Das führte zum Bruch. Nicht einmal zur Beerdigung der Schwester kommt Monika Mann, so tief gehen die Verletzungen. Leben, Literatur und Politik durchdringen sich in erstaunlicher Weise. Glück und Unglück, Großartiges und Erschreckendes findet man nebeneinander – all das macht diese Familie so faszinierend.
Reichen Ihnen jetzt die Manns? Oder möchten Sie noch mit Thomas Mann plaudern und ein Bier trinken?
Das wäre wenig ergiebig. Es ergäbe nur ein distanziertes und enttäuschendes Gespräch. Ihn muss man lesen, nicht im Gasthaus treffen.
Ein Bild, das dröhnend im Kopf bleibt: Schon am 3.Mai 1946 ist Gustaf Gründgens wieder auf der Bühne des Deutschen Theaters Berlin.
An ihn dachte Klaus Mann, als er den Roman "Mephisto" schrieb.
Gründgens hatte sich mit dem "Dritten Reich" arrangiert, sein Name war von Goebbels auf die "Gottbegnadeten-Liste" gesetzt worden (in Karajans Nähe).
Jetzt saß Klaus Mann im Publikum, etwas verwundert: Das Stück konnte nicht beginnen, das Publikum applaudierte Gründgens. Zeugen sagen: 20 Minuten lang!
Opportunisten sind äußerst beliebt.