Die Macht der Bilder
Von Peter Temel
Mit der Macht der Bilder muss sich ein ernst zu nehmendes Filmfestival zwangsläufig auseinandersetzen. Zwei Filme bei der diesjährigen Diagonale tun dies in besonderem Maße.
Elfi Mikesch schickt in ihrem komplex konsturierten Spielfilm „Fieber“ eine Frau auf eine Reise in die Vergangenheit ihres Vaters. Es ist zugleich eine Erkundung der Bilderwelten, mit denen Franziska in ihrer Kindheit umgeben war.
In einer bemerkenswerten Szene sieht man die junge Franzi auf dem Boden liegen, ihr Körper ist mit Fotos zugedeckt, „damit die Welt mich nicht sieht, aber ich sie.“
Das sagt die Stimme der erwachsenen Franziska (Eva Mattes) aus dem Off. Sie ist mittlerweile selbst zur Bildermacherin geworden. Man sieht sie beim Fotografieren von frisch geschlachteten Tieren. Das Fleisch, das die Fotografin ablichtet, ist warm, die Muskeln zucken noch.
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Zu der väterlichen Gewalt kommen noch die alten Kriegsfotos aus Marokko, die Franzi zu verfolgen beginnen. Das fantasiebegabte Mädchen flüchtet sich in eine erfundene Geisterwelt.
Als erwachsene Frau beschließt Franziska, sich den Bildern erneut zu stellen. Sie fährt nach Novi Sad, wo ihr Vater aufgewachsen ist. Auf der Zugreise begegnet sie nicht nur den guten Geistern ihrer Kindheit, sondern auch einem geisterartig wirkenden tätowierten Mann, der angibt, eigentlich eine Frau zu sein. Ein kurzer, aber umso zärtlicherer Dialog entspinnt sich zwischen den beiden. Es ist die Lieblingsszene von Elfi Mikesch, wie die Regisseurin und Fotografin in Graz erzählt.
„Was machen die Bilder mit uns? Was passiert da mit uns jeden Tag?“, fragte sie bei der Österreich-Premiere am Mittwoch. Ihr Film liefert dazu ästhetische, poetische, teils meditative Szenen - und die Erkenntnis, dass man den Bildern nicht so einfach entfliehen kann.
Die Festivalfilme bei der Diagonale
Jahrhundertfotograf Lessing im Porträt
Das Regie-Duo, das im Vorjahr den Großen Diagonale-Preis für den Spielfilm „Der Glanz des Tages“ gewann, begleitete Lessing über einen längeren Zeitraum mit der Kamera. Man sieht ihn bei den Vorbereitungen auf die Eröffnung seiner Wiener Galerie, oder auf Besuch bei der legendären Fotoagentur Magnum in Paris. Auch in privaten Gesprächen mit seiner Frau wird viel über die Persönlichkeit Lessings erzählt.
„Ich bin Geschichtenerzähler. Meine Bilder müssen etwas aussagen. Schöne Bilder zu machen überlasse ich anderen“, sagt Lessing, der mit seinen Fotos Zeitgeschichte geschrieben hat. Sei es mit seinem berühmtesten Foto, von der Unterzeichnung des Staatsvertrags, oder mit Bildern von der Ungarnkrise oder von Staatsmännern wie Eisenhower oder Chruschtschow. Sorgsam komponiert sind seine Bilder. Eine Tugend, die mit der Digitalfotografie zu verschwinden droht, meint Lessing. Heute schieße man hunderte Bilder von einem Ereignis, um dann die weniger guten auszumustern.
Als er selbst im Rahmen der Fernsehshow „Willkommen Österreich“ fotografiert wird, weist er den Fotografen darauf hin, dass er die Kamera schief halte. Es ist eine dieser kurzen Gesten in dieser Doku, die mehr aussagen als ein langes Interview.
Für sein nächstes Fotobuch - die Vorbereitungen dafür werden ebenfalls im Film gezeigt – möchte Lessing überwiegend Fotos auswählen, die ohne Erklärung für sich stehen können.
Es ist beeindruckend zu sehen, wie ein 90-Jähriger sein eigenes Werk noch einmal mit neuen Augen betrachtet. Man sieht ihm gerne dabei über die Schulter.
INFO: "Der Fotograf vor der Kamera" bei der Diagonale in Graz - Freitag, 21. März, 18:30. UCI Annenhof Kino; Sonntag, 23. März, 14:00. Schubertkino.
Das österreichische Filmfestival dauert noch bis 23. März.