Die Entdecker: Stars fördern Talente
Von Andreas Bovelino
Rotkäppchen und der böse Wolf
Kanye West fördert gern junge Talente. Das ist im Hip-Hop durchaus üblich. Er selbst wurde von Rap-Legende No I.D. aus Chicago entdeckt. So umtriebig wie Kanye West ist allerdings kaum jemand. Szenegrößen Vic Mensa, Kid Cudy, Big Sean sind nur einige seiner Entdeckungen. Mit Kacy Hill hat Mr. Bad Guy nun eine Künstlerin unter Vertrag, die mit ihrem zarten, elfenhaften Pop das Zeug zum echten, internationalen Popstar hat. Dabei wurde der Rotschopf aus Arizona quasi gleich drei Mal entdeckt. Als 16-Jährige vom Fotografen auf einer Hochzeit, der sie zum Model machte. Als Model vom modeaffinen Kanye West, der sie zu einer seiner Live-Tänzerinnen machte. Und so nah am Star gelang es Kacy Hill, die Oboe, Saxofon und Klavier spielt, ihm eine ihrer Demo-Aufnahmen zuzustecken. Heuer soll ihr erstes Album erscheinen …
Sister Act und die Queen
Die Schwestern Chloe und Halle Bailey nahmen schon als Zwölfjährige Musikvideos auf und veröffentlichten sie auf YouTube. Vorzugsweise Songs ihres Idols Beyoncé. Was Kids halt so machen. Ein Unterschied: Chloe und Halle machen das richtig gut. Zweistimmiger Gesang zum selbst gespielten Klavier oder zur Akustikgitarre. Ein Riesen-Unterschied: Queen B höchstpersönlich wurde auf die beiden aufmerksam. Und war begeistert. Sie nahm die Schwestern für ihr eigenes Plattenlabel unter Vertrag. Heute sind sie 16 bzw. 18, haben schon für Amerikas First Lady Michelle Obama gespielt und gelten als kommende Superstars. Kein Wunder, bei dem Fan.
Mr. Happy und das Mädel vom Land
Prüfungsstress? Ja, aber richtig. Als Maggie Rogers, eine 22-jährige Musikstudentin vom Land, an der renommierten University of New York ihre Abschlussarbeit vorspielen sollte, saß neben dem Dekan und einigen Professoren auch ein veritabler Superstar neben ihr: Pharrell Williams war als „Artist in Residency“ vor Ort. Entsprechend nervös wirkte Rogers in dem YouTube-Video, das bald darauf viral wurde. Denn „Mr. Happy“ konnte offensichtlich kaum seinen Ohren trauen. Er wippt mit, lächelt selig, schließt die Augen und nach dem letzten Refrain des melancholischen Elektro-Folk-Songs glitzern Tränen an seinen Lidern. „Ich habe noch nie so etwas gehört. Das ist wie eine Droge für mich“, sagt er danach fassungslos. Und wir sind mindestens so gespannt wie er, womit Ms Rogers uns als Nächstes überraschen wird.
Auch ein Gitarrengott braucht Hilfe
Heute gilt der Gitarrist und Sänger aus Texas als „neuer Hendrix“, „neuer Santana“, und überhaupt das Maß aller Dinge, wenn’s um coolen, spannenden und mitreißenden Gitarrenrock geht. Dabei war Gary Clark Jr. fast zehn Jahre lang ein reiner Insider-Tipp. Musiker, Auskenner und Kritiker liebten ihn, aber niemand kaufte seine Platten. Bis Soul-Star Alicia Keys ihn bei einem Festival live hörte. Sie twitterte ihre Entdeckung in die Welt, nahm Songs mit ihm auf – und aus dem Mann, den vorher nur eine Handvoll Spezialisten kannte, wurde doch noch ein Star. Völlig zu Recht.
Der Prinz im Wohnzimmer
Wie ist das, wenn man als junger Künstler von einem Superstar angerufen wird, der einem nur sagen möchte, dass er das, was man macht, klass findet? Die britische Songwriterin Lianne La Havas hatte gerade ihr Debüt-Album herausgebracht, als ihr ebendies passierte. Um noch eins draufzusetzen, spielte Prince mit Band vor zwei Jahren einen Privat-Gig in ihrem Londoner Wohnzimmer. Und im Gegensatz zu seinen unzähligen frühen Entdeckungen versuchte Prince bei ihr weder sie umzumodeln noch Einfluss auf ihre Musik zu nehmen. Er bat sie nur, auf einigen Tracks seines Albums „Art Official Age“ mit ihm zu singen. Ein Adelstitel – auch für eine mehr als nur talentierte Sängerin wie Lianne La Havas.
Insel-Beauty trifft Moneymaker
Auch ein Star wie Rihanna hat einmal klein angefangen, musste „entdeckt“ werden. Als 17-Jährige sang sie, frisch aus Barbados nach New York gekommen, ganz offiziell dem Chef eines angesagten Plattenlabels vor: Jay Z. Der war so hingerissen, dass er sie sofort unter Vertrag nahm. Und ihre Karriere auch tatsächlich massiv förderte. So sehr, dass immer wieder hässliche Gerüchte im Umlauf sind, ob da nicht mehr dahinter steckt als nur musikalisches Mentorentum. Zusätzlich befeuert von der Prügelattacke in einem Hotelaufzug durch seine Schwägerin Solange und den aktuellen Hit seiner Gattin Beyoncé: „Hold Up“. Andererseits könnte all das natürlich Strategie des gewieften Geschäftsmannes Jay Z sein, um die Namen aller Beteiligten im Gespräch zu halten. Auch den seines Schützlings Rihanna.
Mick im Fado-Glück
Als Urgestein Jagger sie 2007 in einem Fado-Club in Lissabon zufällig zum ersten Mal hörte, war Ana Moura bereits eine anerkannte Sängerin. In Lissabon. Noch in der gleichen Nacht stellte er sie seinen Kumpels Ron Wood und Keith Richards vor, sie sang im Hotel und die Stones jammten dazu. „Na ja, Fado ist ja so etwas wie portugiesischer Blues“, erinnert sich Keith Richards. Wenig später holte Mick Jagger sie beim Stones-Konzert im Fußballstadion in Lissabons auf die Bühne, sie sangen gemeinsam „No Expectations“ – und aus Ana Moura wurde ein Weltstar. Er ist heute noch ein Fan, erst vor Kurzem besuchte er ihr Konzert in London. Erotische Spekulationen der britischen Yellow-Press weist Sir Mick zurück: „Ich hab mich ihr gegenüber immer wie ein perfekter Gentleman verhalten.“
Mit Mr. Tambourine Man zum Erfolg
Mit seinen Byrds und ihrem „Mr. Tambourine Man“ hatte David Crosby gerade einen massiven Hit, als er in einem kleinen Club in Florida eine junge Songwriterin aus Saskatchewan, Kanada, sah. Er verliebte sich, nahm sie mit nach Kalifornien und ermöglichte ihr die erste Plattenaufnahme. Sie beendete die Affäre mit Crosby rasch – er unterstütze sie weiter. Weil er an sie glaubte. Joni Mitchell wurde die Königin des Hippie- Paradieses Laurel Canyon – und eine der wichtigsten Protagonistinnen für Frauen in der Popmusik.
Die Liebe einer Folk-Prinzessin
Ein Landei aus Hibbing, Minnesota, in New York. Eine Gitarre im Gepäck und jede Menge großer Ideen, ernster Anliegen und dringlicher Proteste. Die nur leider weniger Menschen hören wollten als dem spaßfernen 20-jährigen Bob Dylan lieb war. Bis die gleichaltrige, mexikanisch-stämmige Joan Baez auf ihn aufmerksam wurde. Sie war der leuchtende junge Stern am amerikanischen Folk-Himmel – und begann, Bob Dylans Lieder zu singen. Aus Liebe zu ihm, aber auch aus Überzeugung. Und plötzlich wurde auch Mr. Bob für ein breites Publikum interessant ...
Ein Spatz und sein Harem
„La vie en Rose“, „Non, je ne regrette rien“ – sie war einer der größten, eigenwilligsten und skandalträchtigsten französischen Stars des 20. Jahrhunderts: Édith Piaf. Und: Etliche französische Künstler, die später Weltruf erlangen sollten, verdankten ihre Karrieren Édith Giovanna Gassion, die auf Grund ihrer zierlichen Erscheinung „Piaf“ – Spatz – gerufen wurde. 1944 holte sie Yves Montand (o.r.) auf die Bühne, 1946 nahm sie den jungen Charles Aznavour mit auf eine USA-Tournee, Gilbert Bécaud (oben Mitte) war der Pianist ihres Mannes Jacques Pills, eines Chansonniers, den sie ebenfalls entdeckt hatte. In den 1950ern verschaffte sie Eddie Constantine eine Rolle im Musical „La p'tite Lili“, das mit großem Erfolg in Paris lief, Francis Lai machte sie zu ihrem Begleitmusiker und ermutigte ihn, es mit Eigenkompositionen zu wagen. Später wurde er zu einem der wichtigsten Komponisten des französischen Kinos („Ein Mann und eine Frau“). Und mit Georges Moustaki (o.l.) verband sie eine intensive, zerstörerische Affäre – er schrieb für sie ihren größten Hit: „Milord“.