Kultur

"Die Burg ist ja keine Provinzbühne"

KURIER: Bevor Sie Chefin der Neos in Wien wurden, waren Sie Kultursprecherin Ihrer Partei – und Vorsitzende des parlamentarischen Kulturausschusses. Sie engagierten sich sehr im "kleinen Unterausschuss", der sich im Winter 2014/2015 mit dem Burgtheater-Skandal befasste. Was sagen Sie zum Rechnungshofbericht, der kürzlich veröffentlicht wurde?

Beate Meinl-Reisinger: Er bestätigt alles, was wir herausgefunden haben. Es gab im Burgtheater über Jahre hindurch Misswirtschaft. Leider prüfte der RH nur die Zeit von Silvia Stantejsky, der kaufmännischen Geschäftsführerin 2008 bis 2013, und Matthias Hartmann, dem künstlerischen Geschäftsführer 2009 bis 2014. Ich habe RH-Präsident Josef Moser gebeten, die Prüfung auszuweiten, er hielt sich aber an das Ansuchen des damaligen Kulturministers Josef Ostermayer. Das ist mehr als schade!

Hat sich der U-Ausschuss nur mit der Zeit davor beschäftigt?

Wir gingen zurück bis zum Jahr 2006. Kunststaatssekretär Franz Morak designierte damals Hartmann. Aus der Zeit stammen die Untersuchungen über den zukünftigen Finanzbedarf, die von der Politik ignoriert wurden. Zudem gingen wir der Frage nach, warum kein internes Kontroll-System eingerichtet war. Und es gab hohe Barauszahlungen. Der RH stellte auch Schwarzzahlungen fest. Da liegt die Vermutung nahe, dass das schon vor 2008 der Fall war.

Der Vorgänger von Stantejsky war Thomas Drozda, der neue Kulturminister: Er galt im Sommer 2014, nach dem Rückzug von Georg Springer, als Favorit für die Geschäftsführung der Bundestheater-Holding. Sie meinten gegenüber der "Presse", er sei "inakzeptabel". Bestellt wurde dann Christian Kircher. Wie sehen Sie das heute?

Ich habe damals ein Wort verwendet, das über das Ziel schoss. Aber meine grundsätzliche Kritik bleibt aufrecht. Dass Drozda jetzt eine Feuermauer zwischen sich und den Finanzskandalen des Burgtheaters errichten will, ist nachvollziehbar, aber er kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen! Er war selbstverständlich für das Abführen von Steuern verantwortlich. Bei abgabenrechtlichen Versäumnissen – wenn Steuererklärungen nicht abgegeben oder Abgaben nachlässig entrichtet werden – haftet der Geschäftsführer nach der Bundesabgabenordnung für Ausfälle. Die Burg ist ja nicht eine Provinzbühne, die irgendwann irgendwas falsch abgerechnet hat, sondern das erste Haus für Sprechtheater im deutschsprachigen Raum! Wobei ich sicher bin, dass gerade Provinzbühnen sehr genau abrechnen, wenn es geringe Fördersummen gibt. Beim Burgtheater mit Millionenbeträgen an Steuergeld war das nicht so.

Drozda argumentiert, er habe von nichts gewusst. Denn Stantejsky, seine Stellvertreterin, habe eigenständig gehandelt.

Es mag sein, dass man Bereiche aufteilt. Das entbindet Drozda aber nicht von der Verantwortung. Ich zitiere aus dem GmbH-Gesetz: "Die Geschäftsführer haben dafür zu sorgen, dass ein Rechnungswesen und ein internes Kontrollsystem geführt werden, die den Anforderungen des Unternehmens entsprechen." Und: "Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden."

Auch Hartmann sagt, er habe sich auf Stantejsky verlassen – und sei für deren Fehler nicht verantwortlich zu machen.

Es ist aber nicht möglich, die Verantwortung auf die Prokuristin oder die Co-Geschäftsführerin abzuwälzen. Und wenn es schon eine Holding gibt, dann hat auch Georg Springer, Geschäftsführer bis zum Sommer 2014, eine Mitverantwortung. Er war der Aufsichtsratsvorsitzende des Burgtheaters.

Hat sich der U-Ausschuss mit der Vermietung des Hauses während der EURO 2008 beschäftigt? Ein Spielbetrieb war aufgrund der Fanzone nicht möglich. Die Geschäftsführung vermietete die Burg an die Echomedia, die damals noch der SPÖ gehörte. Sie soll mit der Untervermietung an die Telekom einen Gewinn gemacht haben.

Leider nein. Denn damals liefen noch die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft. Sie stellte das Verfahren erst 2015 ein. Laut Medienberichten soll Echo eine Million Euro an das Burgtheater gezahlt – und von der Telekom 1,4 Millionen erhalten haben. Die Staatsanwaltschaft kam zum Schluss, dass keiner der Beteiligten mit Schädigungsabsicht gehandelt hätte. Die Angelegenheit ist daher nicht strafrechtlich relevant, aber sie stinkt trotzdem, zumal das Echo Medienhaus, das die SPÖ mittlerweile an ein Konsortium rund um Christian Pöttler verkauft hat, in mehrfacher Hinsicht mit Aufträgen auf Kosten der Steuerzahler versorgt wurde. Der RH hätte eventuell Licht ins Dunkel rund um den Verdacht der verdeckten Parteienfinanzierung bringen können. Ich fordere ihn erneut auf, die Zeit vor 2008 zu prüfen.

Im Sommer 2008, ein Jahr vor Vertragsende, wechselte Drozda als Generaldirektor zu den Vereinigten Bühnen Wien. Klaus Bachler, Burg-Direktor bis zum Sommer 2009, wollte sich an kein neues Gesicht gewöhnen. Daher musste die Prokuristin Geschäftsführerin werden. Drozda stimmte für Stantejsky – obwohl sie als wenig geeignet beurteilt worden war.

Drozda sagte dieser Tage, dass er keinen Grund hatte, an Stantejskys Fähigkeiten zu zweifeln. Ich würde sagen, es trifft ihn hier ein Auswahlverschulden. Die Malversationen Stantejskys sind ihm nicht zuzurechnen; wäre sie aber nicht als Geschäftsführerin bestellt worden, hätte sich das Haus am Ring wohl einiges erspart.

Stantejsky, seit 1980 am Burgtheater, war äußerst beliebt.

Weil sie das Leben der Schauspieler angenehm gestaltete: Sie gewährte Akkonto- und Bargeldauszahlungen. Aber ich glaube nicht, dass es die richtige Rolle für eine Geschäftsführerin ist, die beliebteste Person zu sein.

Drozda ist nun Kulturminister, die VBW suchen nach einem neuen Generaldirektor.

Das ist ein sehr guter Zeitpunkt, um über die Zukunft nachzudenken. Die Subvention wurde auf 42 Millionen Euro erhöht – geknüpft an die Auflage an die Geschäftsführung, ein "Zukunftskonzept" zu erarbeiten. Das liegt bis heute nicht am Tisch. Es bleibt unverständlich, warum in Wien der Musicalbereich mit einer vergleichsweise hohen Summe von 15 Millionen Euro gefördert wird.

Und Anita Zemlyak, die ehemalige Mitarbeiterin von Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, wurde zur Kulturamtsleiterin bestellt.

Die Bestellung hat meine Befürchtungen über die Packelei der Roten bestätigt. Wir hätten uns ein faires und transparentes Bewerbungsverfahren gewünscht.