Kultur

Die 100 Mächtigsten des Kunstbetriebs

Niemand nimmt sie ernst. Alle nehmen sie ernst: Die "Power 100" - Liste, mit denen das britische Magazin "Art Review" jährlich die 100 einflussreichsten Personen der Kunstwelt kürt, wird von den Protagonisten und Protagonistinnen regelmäßig verniedlicht und doch akribisch studiert: Denn "Einfluss" ist eine zugeschriebene Größe, die in der Kunstwelt durchaus realen Einfluss haben kann - sie ermöglicht Ausstellungsprojekte, öffnet Türen, beeinflusst die Preisbildung am Markt. In manchen Fällen kann ein "Einflussreicher" durchaus einen Midas-Effekt auslösen: Was er berührt, wird zu Gold. Und natürlich schmeichelt eine "Power 100"-Platzierung dem Ego der notorisch uneitlen Kunstbetriebs-Menschen.

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Heuer führt das Galeristen Duo Iwan und Manuela Wirth das Ranking an - Nicholas Serota, der im Vorjahr auf Nummer eins platziert wurde, rangiert auf Platz fünf. Auf Platz zwei des Power-Rankings kommt mit Ai Weiwei ein Künstler. Im Gesamtranking machen Künstler ein Viertel aller Platzierungen aus, den Rest des Einflusses halten Sammler, Galeristen und Kuratoren bzw. Museumsleute.

Die "Art Review" Liste, die seit 2002 von einem anonymen Experten-Panel erstellt wird, bildet damit eine ganz spezielle Kunstwelt ab: Jene, die die Kunstszene von Markt und Geld dominiert sehen, finden in der Liste ebenso Anhaltspunkte wie jene, denen sie als zu "kopflastig" und von Kuratoren-Konzepten dominiert scheint.

Geld, Macht, Einfluss

Es gibt jedoch leichte Verschiebungen, wie eine kurze KURIER-Analyse zeigt: So erhielten im aktuellen "Power 100"-Ranking Kuratoren und Museumsleute mit 32 Nennungenam meisten Gewicht, während Sammler mit 14 Nennungen den kleinsten Pool der "Einflussreichen" stellen. Vor 10 Jahren war das noch anders: 2005 besetzten Sammler (23) annähernd gleich viele Machtpositionen wie Künstler (24); den Spitzenplatz belegte 2005 der Künstler Damien Hirst, der im aktuellen Ranking gar nicht mehr dabei ist. Auch das Klosterneuburger Sammler-Ehepaar Essl (2005: Platz 98) ist heuer nicht mehr vertreten; ein Schicksal, das es übrigens mit vielen

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Sammlern teilt, denen irgendwann die finanzielle Kraft zum Sammeln ausging.

Dass der Ruhm in der Kunstwelt ein flüchtiges Vogerl sein kann, belegen auch andere Verschiebungen im aktuellen "Power 100" Ranking: Klaus Biesenbach, der ob seiner "Björk"-Schau im New Yorker MoMA vielfach gescholtene Kurator (im Bild rechts), rutschte von Platz 27 (2014) auf Platz 62 ab. Galerist Thaddaeus Ropac, der einzige Österreicher in der Wertung, rangiert auf Platz 84 (2014: Platz 78).

Insgesamt ergibt das Ranking 2015 eine leichte Tendenz hin zu Kuratoren und Museumsleuten - sie werden am häufigsten als einflussreich eingestuft (32 Nennungen, 2005: 22). Galeristen halten mit 29 Nennungen (2005: 31) viele Fäden in der Hand, sie platzieren Kunst auf Messen, in Museen und in wichtigen Privatsammlungen, was letztlich auf das "Standing" der Künstler abfärbt. Das betrifft auch die 2014 verstorbene österreichische Malerin Maria Lassnig: Iwan Wirth, die aktuell einflussreichste Person der Kunstwelt, vertritt ihr Werk und sitzt auch in der Lassnig-Stiftung. Ebenfalls dort dabei ist Kurator Hans-Ulrich Obrist (im Bild links), der im aktuellen Ranking Platz 4 belegt.