Der Wu-Tang Clan darf das
Von Karl Oberascher
Mit halbstündiger Verspätung starten, die wichtigsten Mitglieder sind nicht dabei (Mastermind RZA und Method Man, dazu noch Raekwon, sagten ohne Begründung ab), viele der größten Hits werden nur angespielt und nach 80 Minuten verlässt man ohne nennenswerte Zugabe die Bühne? Das legendäre Hip-Hop-Kollektiv aus New York hat immer schon nur das gemacht, was es gerade wollte, hat sich noch nie gerechtfertigt oder erklärt. In den 90ern wurde der Clan damit zur tonangebenden Crew, das Album "36 Chambers" ist Pflichthörspiel für jeden Hip-Hop-Fan. Düster, verklausuliert, in einer eigenen Welt, der Welt des Wu. Auf andauernden kommerziellen Erfolg verzichtete man später wegen persönlicher Differenzen. Keine Lust auf den Stress.
Wenn GZA, einer der sechs verbliebenen Clan-Mitglieder, die es am Dienstag nach Wien geschafft haben, zwischendurch gelangweilt auf sein Handy schaut und sich nach einer Stunde nur noch im Bühnenhintergrund rumdruckst, dann ist das insofern nur konsequent. "Real", wie es im Jargon heißt. Eine Eigenschaft, die Hip-Hopper zu schätzen wissen.
Bringschuld
Den 3.000 Fans in der restlos ausverkauften Arena ist jedenfalls klar, bei wem die Bringschuld an diesem Abend liegt. "Wir können euch nur so viel Energie geben, wie wir von euch bekommen", meint Ghostface Killah kurz vor Ende.
Da haben Fans – Mittdreißiger, die für das Konzert ihre alten Wu-Tang-Clan-T-Shirts ausgepackt haben – schon 60 Minuten engagiert im Takt gewippt. Und so belohnen sie sich dann auch quasi selbst für ein stimmiges Konzert. Die Klassiker sind, kurz angespielt, dabei: "C.R.E.A.M.", "Triumph", "Gravel Pit". Dazu "Shimmy Shimmy Ya", als Erinnerung an den verstorbenen Ol’ Dirty Bastard.
Nur auf den frühen Hit "Method Man" wird personalbedingt verzichtet, vom neuen Album "A Better Tomorrow" ist gar nichts zu hören. Absicht oder Zufall? Die sechs Herren auf der Bühne halten es jedenfalls "real" und verzichten auf eine allzu straffe Setlist, improvisieren sich durch den Abend. Gerappt wird, wann’s passt. Der Wu-Tang Clan darf das.
KURIER-Wertung: