Kultur

Der Weiße in Afrika hieß Mohr

Ein "verkümmerter Nomade" sei er, sagt Ludwig Fels.

Der Deutsche lebt seit mehr als drei Jahrzehnten in Wien, hier ist er gern, aber ganz zu Hause fühlt er sich nirgendwo, im Kopf ist er deshalb ständig unterwegs ...

Er ist in Afrika, rund 100 Jahre in der Zeit zurück.

Sterne fallen herab, der Himmel ist blauschwarz, "mit Ewigkeit lockend", und die deutschen Reiter rufen: "Wenn wir wollen, reiten wir bis zum Mond!"

Er ist in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Staat Namibia. Von 1884 bis 1915 war es deutsche Kolonie, eineinhalb Mal so groß wie das Kaiserreich.

Er ist (irgendwie) der junge Reitersoldat Crispin Mohr aus Pappenheim in Franken. Erleben wollte er etwas, jetzt verzweifelt er unter seinesgleichen und schreibt Briefe an Frau Mutter. Ein lieber Kerl ist er.

Ein afrikanischer Kundschafter, der Deutsch kann, lacht: "Mohr heißt Kaffer. Bist du einer? Ist weiß und heißt Mohr!"

"Du musst mir nicht sagen, wie ich heiße", sagt Mohr. "Ich hab kein Glück mit dem Namen gehabt und du kein Glück mit der Hautfarbe ..."

Mit Gefühl

Mohrs weiße Haut ist auch kein Vergnügen.

Denn Mohr ist ein liebender Mensch . Er sekkiert keine Afrikaner. Und er hat sich in die Enkelin eines Stammesführers verschaut, die als Dienstmagd bei den Kolonialherren arbeitet ... als Zeichen des Friedens zwischen den Völkern.

Der Kommandant und seine Frau schauen, dass ihr die Schönheit vergeht. Geprügelt wird sie. Vergewaltigt. Der Feldkaplan ist dabei.

"Die Hottentottenwerft" ist eine Liebesgeschichte. (Werft bedeutet auch: bienenförmige Anhäufung von Hütten; aha.)

Zusätzlich ist der Roman das Glanzstück des 68-jährigen Ludwig Fels, der schon im vorangegangenen Buch keine Scheu gezeigt hat, inmitten seines ruhigen, sachlichen Stils eine Überdosis Gefühl zu haben bzw. zu beschreiben.

Das war so vor sechs Jahren in "Die Parks von Palilula" über einen, der plötzlich das Leben liebte.

Sehr autobiografisch.

Bevor er sich davongeschlichen hätte, weil er nicht so wahrgenommen wird, wie er es verdient, bevor er sich zu Tode gesoffen hätte, hat der Erzähler – also Fels, was reden wir herum! – ein Kind bekommen:

Mitte 60 war er, als er Wahl-Opa wurde von einem Baby, dessen Mutter aus Nigeria kam. Ludwig Fels schob den Kinderwagen durch Ottakring.

Aus dem Tritt

In "Die Hottentottenwerft" schiebt Ludwig Fels einen Soldaten durch die Küsten- und Wüstenstadt Swakopmund.

Zwischen seinen Kameraden, einem Peitschen knallenden Rinderzüchter und den Einheimischen bleibt er sich treu.

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Der Autor fühlt sich betroffen und macht betroffen. Sein Verleger Jochen Jung sagt:

"Die Kolonialgeschichte Afrikas ist ein blutiger Schandfleck in der Geschichte Europas. Gelitten wurde allerdings auf beiden Seiten. Ludwig Fels’ überwältigendes erzählerisches Können ist voller Empathie und macht nachvollziehbar, was so nicht in den Geschichtsbüchern steht."

Man spürt. Man leidet. Man merkt (erfreut): Jeder kommt früher oder später aus dem Tritt, wenn er immer nur geradeaus marschiert.