Kultur

Der Versuch, den Atem festzuhalten

Wie können sie so zufrieden sein, obwohl sie nichts haben, obwohl sie krank sind, verstümmelt – obwohl es den Kühen viel besser geht im ganzen Land?

Beim italienischen Regisseur Pier Paolo Pasolini war es 1960/’61, als er – gemeinsam mit Elsa Morante und Alberto MoraviaIndien besuchte und sich die Frage stellte, die sich alle stellen.

Begleitung

Wieso haben die Inder einerseits so wenig und andererseits so viel Leichtigkeit? Ein Klischee, das manchmal nicht stimmt – und hundertmillionenfach zutrifft.

Das Staunen Pasolinis in Chopati, Delhi, Benares ... und sein Versuch, den Atem dieses Landes mit Buchstaben festzuhalten, ist und bleibt Kino (zumal in dieser Ausgabe von "Indien" auch noch eindrucksvolle Fotografien sind).

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Der 55 Jahre alte Text wird begleitet vom 65-jährigen deutschen Reisereporter Andreas Altmann, der Indien kennt und Pasolini verehrt.

Altmann kommentiert die alte Reise. Er erklärt, was sich seither geändert hat, und er erlaubt es sich auch, den "Meister" mitunter sanft zu korrigieren.

Denn wenn der Italiener die "schreckliche Eintönigkeit der indischen Landschaft" kritisiert, muss der Deutsche die Bemerkung fallen lassen: Pasolini hätte sich in die Eisenbahn ans Fenster setzen sollen, anstatt im Auto auf desolaten Landstraßen unterwegs zu sein.

Augenhöhe

Das Duett der Freigeister Pasolini/Altmann gelingt viel besser als – siehe oben – im Nebeneinander von Jonathan Franzen und Karl Kraus.

Beiden geht’s nicht darum, besonders g’scheit zu wirken. Sondern um dem fremden Indien auf Augenhöhe zu begegnen; und zu lächeln.

KURIER-Wertung:

INFO: Pier Paolo Pasolini und Andreas Altmann: „Indien“ Übersetzt von Toni Kienlechner. Fotos von Isabela Pacini. Corso Verlag. 123 Seiten. 25,60 Euro.