Der Roman, der Truffaut so gefallen hat
Von Peter Pisa
Als Henri-Pierre Roché am 9. April 1959 starb, gab es nur wenige Zeilen Nachruf in den Zeitungen, auch in den französischen. Er war nicht berühmt.
Er war Autor von "Jules und Jim". Und der Jim war er.
Auch wenn das Gedächtnis nachlässt: Der Moment im Kino, bei Truffauts Verfilmung 1962, als Jeanne Moreau(= Kathe) absichtlich das klapprige Auto von der Brücke in den Fluss lenkt, dem entsetzten und gleich toten Beifahrer Henri Serre (= Jim) zuzwinkernd, und einsam bleibt Oskar Werner (= Jules) zurück ... diesen Moment merkt man sich.
Nicht tödlich
Henri-Pierre Roché hat etwas übertrieben:
Die französische Dreiecksgeschichte, an der er selbst beteiligt war, endete in Wirklichkeit nicht tödlich.
Auch war diese Beziehung nicht gar so frei und gar nicht so schön.
Die Frau, die Jules und Jim liebte, hieß Helen Hessel. Eine Berlinerin, damals Fräulein Grund, die immer im Mittelpunkt stehen wollte. Freibeuterblut hatte sie.
Jim, also Roché, war ungemein selbstverliebt – seiner Männlichkeit gab er den Namen "Gott".
Angenehm in diesem Trio war nur Jules, also Franz Hessel, als Dichter erst seit Kurzem hochgeschätzt. Ein Stiller. Helen heiratete ihn zwei Mal. Er war froh über Rochés "Unterstützung". So still war er, dass sein Sterben 1941 – auf ständiger Flucht vor den Nazis – niemand mitbekam.
Leere Stellen
Nach Truffauts Film könnte man glauben: Den Roman, braucht niemand, er kann nicht so gut sein.
Er überrascht. Weil die Liebe zu dritt im Telegrammstil erzählt wurde – mit so vielen Leerstellen, dass man da drinnen viele schlechte Romane schreiben könnte. Angeblich hat Roché aus seinem handgeschriebenen Originalmanuskript derart viel gestrichen, dass von jeder Seite nur sechs Sätze übrig blieben. Und das klingt dann nach mehr:
"Kathe hatte sich immer gewünscht, dass man ihre Asche auf einem Hügel in alle Winde verstreut.
Das war aber nicht erlaubt."
Henri-Pierre Roché:
„Jules und Jim“
Übersetzt von Patricia
Klobusiczky. Schöffling Verlag.
256 Seiten.
24,30 Euro.