Kultur

Der Hüftschwung sollte ein Glücksmesser sein

Zuerst Musik.

Zuerst Super Mama Djombo aus Guinea-Bissau. Mama Djombo ist der Name eines Geistes, der afrikanische Kämpfer beschützt. Super Mama Djombo ist der Name einer Band, die in den 1970ern, 80ern immens populär war, als sich das Land von Portugal befreite.

Zuerst Musik von der alten ursprünglichen Formation, vielleicht aus dem Internet (YouTube).

Und dann die Trommeln in "Ein Lied für Dulce". (Es heißt: Trommelt man stundenlang, platzen die Adern in den Händen, und das Blut geht direkt in den Harn.)

Die Trommeln, die Gitarren, der Gesang, die Lebenslust ... obwohl die Musiker als Bezahlung anfangs gerade genug für ein Frühstück bekommen haben.

Im atmosphärischen Buch des Franzosen Sylvain Prudhomme spielen die alten Bandmitglieder mit – außer Dulce. Die echte Dulce Neva lebt und singt noch immer.

Die Romanfigur Dulce aber stirbt gleich auf der ersten Seite. Ihr erster Geliebter – damals, vor 30 Jahren, als sie fast noch Kinder waren, – organisiert ein Konzert für sie in Bissau.

Ihr Lied wird gespielt. Dissan na mbera. Es ist ein Lied gegen die Reichen, die das Volk verachten, gegen die Protzautofahrer. In den späten 1970ern haben es auch die Reichen und die Protzautofahrer gesungen. Gegen sich selbst haben sie es gesungen, als würden sie nicht merken, dass sie gemeint sind.

Seltsam: Auch die Lieder gegen das Militär wurden von den Soldaten gesungen.

Dicker Fisch

Dieser Roman fängt Musik und Stimmung im Land ein.

Dulce ließ ihren Geliebten damals wegen eines Generals stehen. Passt nicht wirklich zum Protest, sollte man meinen. Dulce entschuldigte sich so: Ihn liebe sie weniger, aber er sei wichtiger, er sei ein dicker Fisch.

Ihr Ehemann wurde dann sogar Oberbefehlshaber der Armee, und sowas wird man vermutlich nur, wenn man mit Verbrechern, die Drogen aus Südamerika nach Afrika bringen, zusammenarbeitet.

Man wundert sich über die Liebe; und währenddessen wundern sich Super Mamba Djombo über die Europäer, die sie auf ihren Tourneen kennenlernten:

Schlecht geschnittene Kleider, gebeugter Gang – müde, erloschene Menschen.

Warum – DAS ist die Frage (nicht nur im Buch) – wird das Schwingen einer Hüfte, das Hin und Her eine Taille, von den Wirtschaftswissenschaftlern der ganzen Welt nicht zu den verdammten Wohlstandsindikatoren gezählt?

Die Eleganz der Männer und Frauen. Den Reichtum der Düfte. Die Geschmackssicherheit bei jedem Kleidungsstück. Und das Verlangen, das die Menschen immer wieder in das Leben zurückruft.


Sylvain
Prudhomme:

„Ein Lied für
Dulce“
Übersetzt von Claudia
Kalscheuer.
Unionsverlag.
224 Seiten.
20.60 Euro.

KURIER-Wertung: ****