Der Fall Mayländer: Leopold Museum gibt zwei Blätter zurück
Von Thomas Trenkler
Seit 18. Jänner machte die Israelische Kultusgemeinde mit täglichen Aussendungen – außer am Samstag (Sabbat) – über die Austria Presse Agentur auf einen unrühmlichen Fall aufmerksam. Denn die Leopold Privatstiftung weigerte sich seit beinahe sechs Jahren, der Erbin nach Karl Mayländer fünf Blätter von Egon Schiele auszufolgen. „Heute ist die Erbin nach Karl Mayländer 95 Jahre und 1 Tag alt“, lautete die erste Aussendung der IKG. „Wie lange soll sie noch warten?“ In der Aussendung vom Mittwoch war die Kultusgemeinde bereits bei Tag 80 Tag angekommen. Und sie sollte die letzte bleiben.
Die Einigung
Denn Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) schaltete sich als Vermittler ein: Am Mittwochabend erzielte er eine Einigung. Sie wurde am Donnerstag in einer eilig einberufenen Pressekonferenz bekanntgegeben: Demnach durfte sich die Erbin zwei der Bilder aussuchen; womit beide Seiten im Fall ihr Gesicht wahren. Bisher hatte sich das Leopold Museum immer geweigert, Bilder zu restituieren. Die von der Erbin gewählten Bilder sind „Sitzender Bub mit gefalteten Händen“ und „Selbstbildnis mit roten Haaren und gestreiften Ärmelschonern“.
Diese aber sträubte sich, der Empfehlung nachzukommen: Man wollte die Erbin mit Geld abfinden und erhöhte nach gescheiterten Verhandlungen das Angebot. Die Stiftung hielt die Vorgangsweise für „fair“; die Erbin und die IKG hingegen forderten dezidiert die physische Rückgabe: Mayländer hätte sich ohne die nationalsozialistische Verfolgung nicht von den Bildern trennen müssen.
Die Geschichte des Falls
Angeboten worden waren die Blätter in der Nachkriegszeit von Etelka Hofmann. Ob sie dazu berechtigt war, dürfte weder von der Albertina noch von Rudolf Leopold hinterfragt worden sein.
Dass die Zeichnungen aus der ehemaligen Sammlung Mayländer stammten, wusste man aber: Drei Jahre nach dem Ende des Krieges, 1948, stellte die Albertina eine Schiele-Retrospektive mit 336 Exponaten zusammen; zu sehen waren, wie die Auflistung beweist, auch etliche Zeichnungen mit dem Besitzvermerk „ehemals Sammlung Karl Mayländer“.
An Rudolf Leopold verkaufte Edelka Hofmann bis zu ihrem Tod 1966 – der Sammler macht keine Angaben über den Zeitpunkt – drei Blätter: „Sitzender Bub mit gefalteten Händen“; „Selbstbildnis mit roten Haaren und gestreiften Ärmelschonern“ sowie „Rückenansicht eines vorgebeugten Jünglingsaktes“. 1968 erwarb Leopold über den Händler Serge Sabarsky auch das „Selbstbildnis in weißem Anzug mit Panama-Hut“, das über Hofmann in den Kunstmarkt gelangt war.
Die Stiftung Leopold argumentierte, dass Mayländer die Schiele-Werke Edelka Hofmann vor seiner Deportation geschenkt habe. Sie sei dessen Lebensgefährtin gewesen. Doch einen Beweis dafür gibt es nicht. Für Sabine Loitfellner, Provenienzforscherin der Kultusgemeinde, ist es nach ihren Recherchen „mehr als fraglich“, dass die 19 Jahre jüngere Etelka Hofmann die Lebensgefährtin gewesen sein soll: „Da sie nach 1945 kein Toderklärungsverfahren in die Wege leitete bzw. keine – obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wäre – Vermögensentziehungsanmeldung erstattete – ist davon auszugehen, dass ihr klar war, nicht die rechtmäßige Erbin nach Mayländer zu sein.“ Der Angabe von Leopold ging auch Maren Gröning, ehemalige Provenienzforscherin der Albertina, nach: „Ich kann nicht bestätigen, dass Edelka Hofmann die Lebensgefährtin war.“