Kultur

Der Dichter als Pilger

Aleš Šteger legt seine Sprache in offene Wunden dieser Welt. Es scheint Lebensaufgabe des slowenischen Dichters, sich einmal pro Jahr an Plätze zu begeben, wo es besonders wehtut ... und wo er, indem er darüber vor Ort schreibt, wach bleibt. Hellwach. Zwölf intensive Stunden gibt er sich (und uns) jeweils. Er schaut nicht nur hin, er hört auch zu. Er hört auch den Dingen zu, das hat der 42-Jährige in Gedichten oft bewiesen.

Für dieses "Logbuch der Gegenwart" war er bei Fukushima, in Mexiko City auf einer Demonstration wegen der Ermordung von 43 Studenten durch Banditen und Polizei, auf einem Bahnhof in Belgrad, wo syrische Flüchtlinge Zwischenstopp haben ... Aleš Šteger verteilte Bananen und Joghurt.

Sein ungarischer Dichterfreund Péter Nádas nennt ihn im Vorwort einen einsamen, verrückten Pilger, "der für Sünden büßt, die er mit aller Kraft zu vermeiden sucht."

Und der davon zu erzählen weiß. Dass Šteger sich und uns dabei ständig anklagt, ist verständlich.

Aleš Šteger:
„Logbuch der Gegenwart: Taumeln“
Übersetzt von Matthias Göritz. Haymon Verlag. 168 Seiten. 19,90 Euro.

KURIER-Wertung: ****