Der chinesische Sherlock Holmes
Von Peter Pisa
Kwan Chun-dok hat Krebs. Leberkrebs. Der legendäre Polizist liegt im Spital, hängt an Schläuchen, ist im Koma.
Aber scheinbar kann er hören. Scheinbar reagiert er, in dem er JA oder NEIN denkt. Der Computer zeichnet es auf. Der Computer ist sein Mund geworden.
Deshalb hat sein Schüler Inspector Lok die fünf Verdächtigen im Mordfall Yuen Man-bun an Kwans Sterbebett gerufen: Sie wohnen in der Villa des Milliardärs, der mittels Harpune getötet wurde. Nach den Einvernahmen wird alles klar sein.
Letzte Drehungen
Ein „Wer ist der Mörder?“-Spiel aus Hongkong, Marke Agatha Christie.
Eines von sechs Kriminalstücken mit Kwan Chun-dok in der Hauptrolle: Er ist „Das Auge von Hongkong“, er hat eine 100-prozentige Erfolgsquote. Erste Geschichte 2013 (im Koma), und dann 50 Jahre in der Zeit zurückgehend: bis zu Kwans Anfängen bei der Polizei 1967.
Er ist eine Art Sherlock Holmes. Er hätte auch das Langsame von Inspektor Columbo, ist aber niemals lustig. In den Geschichten gibt es Bandenkrieg, einen geflüchteten Häftling, einen misslungenen Einsatz mit vielen Toten, Korruption innerhalb der Polzei ...
Gemeinsam ergeben sie ein Bild von Hongkong. Wie sich die Stadt entwickelte. Wie sie sich befreite von der britischen Kolonialmacht. Wie sie sich unter chinesischet Kontrolle verhält.
Am Ende jedes einzelnen Krimis wird beim Lesen immer ein erstauntes „Jessas!“ ausgelöst. Eine letzte Drehung. Diese Überraschungen sind dem Autor Chan Ho-kei äußerst wichtig ... der als Entwickler von Computerspielen so viel Geld verdiente, dass er sich Zeit für das Krimi-Projekt nehmen konnte.
Wenngleich ihm vermutlich der Ausruf „Jessas!“ nicht geläufig sein dürfte.
Macht nichts, unsereiner hat ja mitdem Schriftsteller Chan Ho-kei (Foto oben) auch seine Schwierigkeiten:
An sein großes chinesisches Personal von Chau Cheung-Kwong bis Yuen Man-bun muss man sich gewöhnen. Sollte man wirklich. Denn aus China werden noch viele gute Kriminalromane kommen. Auch englisch anmutende, auch amerikanische.
Im Moment irritiert es noch und stört den Fluss. Im Moment sind noch Verwechslungen möglich, wer denn nun Bruder und wer Ehefrau des Ermodeten ist.
Aber wir üben:
Die Bande, die Hing-chung-wo heißt (im Gegensatz zur Konkurrenz Hung-yi), wird von Yan Tak-ngok geleitet, dessen Sohn der Schauspieler Eric Yeung ist, der die Sängerin Candy Ton belästigt hat, deren Beschützer Boss Chor ist ... Das geht dann schon.
Chan Ho-kei:
„Das Auge von Hongkong“
Übersetzt von
Sabine Längsfeld.
Atrium Verlag.
576 Seiten.
24,70 Euro.
KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern