Kultur

Der Champion: Freddie Mercury

"Schatz, mach's dir schon mal auf der Couch gemütlich, ich bin gleich nach der Arbeit zum Fernsehen daheim." Nein, das ist kein authentifiziertes Freddie-Mercury-Zitat. Aber es entspricht dem, was Bandkollegen und Freunde über die frühen Jahre Freddie Mercurys sagen: Er war exaltiert, theatralisch und extravagant – auf der Bühne. Aber nach den Auftritten ging er nach Hause in seine Zwei-Zimmer-Wohnung. Zu seiner Freundin. Und ja, zum Fernsehen.

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"Extrovertiertes Monster", nannte Freddie Mercury selbst die von ihm geschaffene Bühnenpersönlichkeit. Sein alter ego, das nach und nach die Führungsrolle in seinem Leben übernehmen sollte. Und es war ein weiter Weg für den jungen Mann aus gutem Haus, der eigentlich Farrokh Bulsara hieß und als Sohn einer wohlhabenden Parsen-Familie (siehe "Freddie der Parsel") vor 70 Jahren in Sansibar geboren wurde. Farrokh wuchs mehrsprachig auf, neben dem indischen Dialekt der Parsen lernte er früh ein wenig Farsi, die Sprache ihres Herkunftslandes Persien, dazu Swahili, die Verkehrssprache in Sansibar, etwas Arabisch und Englisch. Mit acht Jahren schickten seine Eltern ihn nach Indien an die St. Peter's bei Mumbai, die beste britische Eliteschule außerhalb Großbritanniens. Seiner Tante, die ebenfalls in Mumbai wohnte, fiel auf, dass Farrokh praktisch jedes Lied, das er hörte, fehlerfrei auf ihrem Flügel nachspielen konnte. Also bekam er klassischen Klavierunterricht. Mit 13 gründete er seine erste Schulband, die Hectics. "So schüchtern er sonst auch war – bei Konzerten war er ein extravaganter Performer. Die Bühne war sein Element", erinnert sich eine Schulfreundin. Die englischen Lehrer nannten ihn Freddie statt Farrokh. Und wunderten sich manchmal, dass er alle und jeden, mit dem er sprach, "my dear" oder "darling" – also Schätzchen - nannte ...

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1964 beendete die Revolution in Sansibar Freddies wohlbehütetes Leben. Die Familie floh nach England, von ihrem Reichtum konnte sie nichts retten. Die Bulsaras landeten in einem kleinen Haus im Westen Londons, wo Immigranten, vor allem aus Indien und Pakistan, schon in den 60er-Jahren mit ausländerfeindlichen Parolen konfrontiert wurden. Der junge Freddie verbarg seine indischen Wurzeln. "Außerdem", wie Roger Cooke, der Mann seiner Schwester Kashmira, meint, "sah er sich selbst eher als Iraner denn als Inder."

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Große Pläne hatte er jedenfalls schon damals. "Macht euch keine Sorgen", erklärte er seinen Eltern, als er durch die Führerscheinprüfung rasselte, "ich werd ohnehin mal einen Chauffeur haben, der mich in einem teuren Auto herumfährt." Seine Idole: Jimi Hendrix und Liza Minnelli – ein spektakulärer Mix, in dem sich schon das Einzigartige seines Stils als Songwriter ankündigt: Der laute, gitarrenlastige Rock auf der einen Seite – und das Dramatische, Burleske auf der anderen. Die nötigen Mitstreiter fand er 1969 in den beiden Musterstudenten Brian May (Mathematik, Physik, Astronomie) und Roger Taylor (Medizin). Die spielten zwar bereits in Bands, arbeiteten aber in erster Linie an ihren Uni-Abschlüssen. Grafik- und Modedesigner Freddie Bulsara stellte ihr Leben völlig auf den Kopf, stylte sie neu – und in kurzer Zeit waren sie das flashigste Dreiergespann am hippen Kensington Market.
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1970 gründeten sie ihre Band, den Namen steuerte Freddie bei: "Queen!". Und auch sich selbst erfand er neu: Mercury, der Planet, der antike Götterbote, das unkontrollierbare Quecksilber. Der Rest ist Geschichte. Wie Freddies Stimme, deren wahre Qualität man erst nach seinem Tod so richtig erkannte, als beim Tribute-Konzert 1992 alle Größen von Seal bis Annie Lennox an seinen Songs scheiterten. George Michael ausgenommen. Und wie Mercurys Party-Exzesse zwischen Tokio und Los Angeles, mit Barbara Valentin und ihrer Gang in München oder Mitgliedern der Village People in New York. Wie sein Style-Wandel vom langhaarigen Paradiesvogel zum schnauzbärtigen Prototyp der New Yorker Schwulenszene. Journalisten-Fragen nach seiner sexuellen Orientierung begegnete er mit einem lapidaren "Schätzchen, ich bin, wie ich bin." Nach seinen Hobbys gefragt, antwortete er: "Sex. Sehr viel Sex." – "Trotzdem war Freddie anders als wir", erzählte ein Party-Freund aus New York in einem BBC-Interview: "Wir wollten nur Spaß – er wollte sich immer verlieben."
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Mit einem Menschen war er so offen wie mit keinem anderen: Mary Austin, der jungen Frau, mit der er in den 70ern zusammen wohnte, als Bühnenperson und privater Freddie noch streng getrennt waren. Mit der er gern auf der Couch saß und Fernsehen schaute, mit der er für Freunde kochte und der er einen Heiratsantrag machte. Nach sieben Jahren erklärte er ihr, dass er sich in einen Mann verliebt hatte und beendete ihre Beziehung, "um sie nicht noch mehr zu verletzen". Was in ihm vorging, wer er tatsächlich war, das "Monster" wie er es nannte oder der scheue Familienmensch, darüber hat er auch mit seinen besten Freunden nie geredet. Vielleicht haben ja die Mercury-Experten Recht, die in der berühmten "Bohemian Rhapsody", die er kurz vor der Trennung von Mary und seiner Art des "bürgerlichen Lebens" schrieb, eine Antwort vermuten. Die Entschuldigung bei "Mama" Mary, das opernhafte Gericht, in dem Gut und Böse über ihn entscheiden, das wütende Aufbegehren gegen emotionale und gesellschaftliche Zwänge ("I just wanna get right out of here") und der resignative Schluss ("Nothing really matters"). "Ach Schätzchen", hat er auf Fragen wie diese mit einem ironischen Lächeln geantwortet, "das sind nur Worte. Liest du das etwa? Lesen ist doch reine Zeitverschwendung. Geh raus und finde jemand, mit dem du Sex haben kannst."
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Mary blieb sein Leben lang seine beste Freundin und war auch während seiner letzten Tage an seiner Seite. Freddie Mercury vermachte ihr praktisch sein gesamtes Vermögen. Und einen seiner schönsten Songs: "Love Of My Life".

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„Schätzchen“ – „Dear“& „Darling“ – nannte Freddie Merdury seit seiner Highschool-Zeit praktisch jeden, mit dem er sprach. Auch Sid Vicious von den Sex Pistols, als er den herumpöbelnden Punker 1977 aus dem Studio warf, in dem Queen gerade aufnahmen.

„Seit den 70ern reden alle immer davon, dass Queen sich auflösen werden, dass ich musikalisch etwas ganz anderes machen werde. Und? Hier sitzen wir jetzt, 13 Jahre später. Vier alte Ladies, die immer noch abrocken.“ Freddie 1985 in einem BBC-Interview.

Einer der größten Freddie Mercury-Fans war Michael Jackson. Nach einem Konzert 1980 in Los Angeles überredete er Merdury den Song "Another One Bites The Dust" als Single herauszubringen. Und ließ sich auch selbst von der Nummer inspirieren. Ein gemeinsames Album scheiterte nur am vollen Terminkalender aller Beteiligten.

Richard Branson organisierte 1976 ein Gratis-Konzert von Queen im Hyde Park. Es kamen mehr als 150.000 Zuschauer. Noch immer eines der größten Konzerte in der Geschichte Londons.

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Mit "We Are The Champions" schrieb Mercury eine der größten Rock-Hymnen aller Zeiten. Und einen wahren Klassiker für Fußball-Fans in sämtlichen Stadien dieser Welt. Und das, obwohl einige Textanalytiker in dem Song eine Anspielung auf seine Homosexualität vermuten. Ein Paradoxon über das Freddie sicher geschmunzelt hätte. Er hatte einen ausgeprägten Sinn für Humor.

Noch in seinem letzten Lebensjahr, praktisch bis kurz vor seinem Tod, nahm Freddie Mercury noch Songs für das posthum veröffentlichte Album "Made In Heaven" auf. "Schreibt für mich, schreibt, schreibt. Ich muss singen, so lange es noch geht - ihr könnt die Songs dann später fertig machen, sagte er immer zu uns", erklärt Gitarrist Brian May. Und: "Er hatte große Schmerzen. Aber er hatte keine Angst."

Queen waren einzigartig für eine Rock-BAnd: 18 Nummer 1-Albums, 18-Nummer-1-Singles, 10 Nummer-1-DVDs, ca. 300 Millionen verkaufte Platten weltweit. Die 2007 erschienene Greatest-Hits-CD ist mit 5,5 Mio verkauften Exemplaren das erfolgreichste der britischen Charts-Geschichte. For dem "Sgt. Pepper"-Album der Beatles.

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Freddie Mercury - A Kind of Magic von Mark Blake, Knesebeck Verlag, 36€.

Der Rockstar wurde als Sohn einer gläubigen Parsen-Familie in Sansibar geboren. Die Parsen sind Zoroastrier, die in den Jahrhunderten nach der arabisch/islamischen Eroberung Persiens (ab dem 7. Jh.) nach Indien flüchteten. Und so ihre Kultur und Religion weitgehend bewahrten.

Der Zoroastrismus gilt als älteste monotheistische Religion der Welt und entwickelte sich ab etwa 1.800 v. Chr. im östlichen Iran und heutigen Afghanistan. Als Gründer gilt der Prophet Zoroaster oder Zarathustra. Humata, Hukhta, Huvarshta – gute Gedanken, gute Worte, gute Taten gelten als Grundlage des Glaubens. Die jüdisch/christliche Vorstellung von „Himmel„ und „Hölle“ bzw. „gut“ und „böse“ entstammen dem Zoroastrismus. Die „Avesta“ ist das heilige Buch dieses Glaubens, in so genannten „Feuertempeln“ wird der Gott Ahura Mazda angebetet, der das reine Gute verkörpert.

Neben Freddie Mercury sind Dirigent Zubin Mehta und die indische Industriellenfamilie Tata die berühmtesten Zoroastrier.

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