Kultur

"Der blaue Himmel möge uns schützen"

Tuwa.Die Melodie kommt von allein. Vielleicht.

Aschyl cherek oo ooj buduruner oo ooj. (Der blaue Himmel möge uns schützen.)

Arbay taraa osup tursun oo ooj. (Alle Menschen mögen Nahrung haben.)

Die gesammelten Geschichten und Gesänge der Schamanen sind das Lebenswerk des tuwinischen Wissenschaftlers Mongusch B. Kenin-Lopsan. 87 ist er jetzt. In der sibirischen Republik im Norden der Mongolei hörte er den Alten zu, als noch die Russen das Sagen hatten und der Schamanismus verboten war. Er machte sich Notizen und wurde deshalb eingesperrt.

Heute ist der Schamanismus in Tuwa Staatsreligion. Die Regierung zahlt den Heilern eine Rente.

Essenzen

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Die Schlichtheit fasziniert. Das war schon 2011 so, als die „Schamanengeschichten aus Tuwa“ erstmals auf Deutsch erschienen sind. Schon sie waren wie Lieder jenseits der Menschen. Kurze Lieder, ohne Schmuckbeigaben. Essenzen.

Nur drei Sätze (zum Beispiel) über den Regenbogen: Wo er den Boden berührt, darf man nicht stehen. Sonst wird man gelähmt. Nur Schamanen, die im weißen Himmel daheim sind, können dagegen etwas tun.

Die Erzählung in die Länge zu ziehen, das sei – wenn’s denn unbedingt sein muss – anderen vorbehalten.

Jetzt die „Schamanengesänge aus Tuwa“, die bis in die 1930er-Jahre populäre Poesie waren und nun wiederbelebt werden. Von Liebe und Glück und Trauer handeln sie. Den Sternen und Pflanzen sind sie manchmal gewidmet. Geister werden zu Hilfe gerufen. Zwischen den Welten herrscht reger Verkehr.

Eine riskante verlegerische Großtat.

Die Illustrationen der KURIER-Redakteurin Alexandra Uccusic, einer studierten Architektin und Bildhauerin, fallen in diesem zweiten Buch weniger freundlich aus. Weil es ja auch böse Schamanen gibt, die das Vieh stehlen, und die gehören aufgefressen:

„Hungernde Raben mögen das exekutieren – Chalak-chalak.

Seine weißen Knochen sollen vertrocknen – Chalak-chalak.“

(Chalak drückt den Ärger aus und heißt „verdammt“.)

Durch die beiliegende DVD wird man zum „Silerler“ – zum gewöhnlichen Volk, das einer Feuerzeremonie und einer Heilsitzung zuschauen kann.

KURIER-Wertung: **** von *****