Kultur

Die gut geölte "Delta"-Maschine

Words are very unnecessary, they can only do harm ...“ So inbrünstig und hingebungsvoll plärren, hat man in der Wiener Stadthalle schon lange kein Publikum mehr gehört. Das ist „Enjoy The Silence“, einer der größten Hits von Depeche Mode, und natürlich hat jetzt gegen Ende der „Delta Machine“-Show keiner Lust auf Stille. Schon gar nicht Sänger Dave Gahan. Er animiert, streckt den Mikroständer ins Publikum, lässt singen und genießt die brodelnde Euphorie.

Einmal mehr ist es verwunderlich, zu welchem Massenphänomen die einstigen Synthie-Pop-Lieblinge der Teenies mit ihrer Wandlung zur ernsthaften Rockband geworden sind. Denn immer noch ist ihr Sound weit entfernt von üblichem Stadion-Rock – von den gefälligen Melodien von Coldplay, den allumfassenden, rührenden Botschaften von U2 und dem fröhlichen „Hau drauf“-Rock von Bon Jovi.

Eindrücke von der Show

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Subversiv

Mit dem jüngsten Album „Delta Machine“ sogar noch mehr. Das Trio geht damit in Richtung Blues und Industrial, zieht so nicht wenige Trent-Reznor-Fans mit Nine-Inch-Nails-T-Shirts in die Stadthalle. „Angel“ und „Heaven“ vom neuen Album sind Highlights der Show – und noch düsterer und subversiver als Klassiker wie „Walking In My Shoes“.

Das ist ein kantiger, exaltierter FM4-Sound, der irgendwie vor Ö3-Publikum prächtig funktioniert. Was vermutlich vor allem an Frontmann Dave Gahan liegt. Der 51-Jährige wirbelt über die Bühne, als wäre er halb so alt. Noch bevor er einen Ton gesungen hat, dreht er sich wie ein Kreisel, entfacht damit Teenie-Gekreische – bei Mittvierziger-Damen, die ihn anhimmeln, als wären sie halb so alt. Er tänzelt in seiner typisch femininen Art über die Bühne, stemmt den Mikroständer hoch und dreht immer wieder Pirouetten wie ein Ballett-Tänzer aus der Staatsoper.

Wuchtig

Und natürlich ist Gahan bei all diesen Aktivitäten immer stimmlich perfekt – vielleicht etwas zu perfekt. Die Show läuft wie eine gut geölte Maschine – routiniert, glatt und phasenweise abgeklärt. Hervorragend: der österreichische Schlagzeuger Christian Eigner. Was er leistet, wie präzise und raffiniert er sein Instrument bedient, ist hier überdeutlich zu hören.

Denn leider sind die Drums und die wuchtigen Bässe zu laut, dröhnen Synthesizer und die zweite Stimme von Gitarrist Martin Gore zu. Der ist nur bei seinen Solo-Balladen, die er mit Pianist Peter Gordeno bestreitet, gut zu hören.

Der Stimmung tut der schlechte Sound keinen Abbruch. Nicht erst bei „Enjoy The Silence“ sind die Wiener im Bann des charismatischen Sängers. Der braucht nur die Hand zu heben, und schon brüllen sie los: „Your own personal Jesus ...“

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Show

Eine monströse LED-Wand zeigte Videos von Anton Corbijn, die nur punktweise spektakuläre Akzente setzte und nie die Musik in den Hintergrund drängte.

Sound

Mit zu lauten Drums und Bässen unausgewogen. Die Setlist ließ kaum Wünsche offen, aber trotz phänomenaler Leistung von Gahan klangen Depeche Mode nicht durchwegs passioniert.

KURIER-Wertung:

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