Kultur

Denkmäler für den Vorschlaghammer

Denkmäler werden häufig in 25-Jahres-Zyklen errichtet: So lange braucht es, bis der vom Dabeigewesensein getrübte Blick so etwas wie kritischer Distanz gewichen ist.

Vor 25 Jahren waren die 80er-Jahre gerade zu Ende, und nun wird die Dekade emsig aufgearbeitet, nicht zuletzt in einer großen Zahl von Museumsausstellungen (siehe unten). Gerade in der Kunst gestaltet sich die Beschäftigung mit den 1980er- Jahren aber oft als schwierig – denn in dieser Epoche waren Punks und andere unheroische Gestalten am Werk, denen es eher um das Stürzen als um das Errichten von Denkmälern ging.

Genial dagegen

"Geniale Dilletanten" nennt sich jene Ausstellung im Haus der Kunst in München, die der "Subkultur der 80er-Jahre in Deutschland" nun auf eine spezielle Art ein Denkmal setzt. Die Angelpunkte der Schau sind eine Reihe von Gruppen, die sich durch gekonntes Nichtkönnen hervortaten – mit Musik, aber auch mit (Bühnen-)Shows, Requisiten, selbst gebauten Instrumenten, selbst verlegten Platten und Magazinen – und mit "Kunstwerken" im traditionelleren Sinn, etwa mit Gemälden.

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Beim "Festival Genialer Dilletanten" – das letzte Wort war bewusst falsch geschrieben – fanden sich viele Protagonisten 1981 zu einem Happening zusammen, der Berliner Merve-Verlag publizierte ein Manifest.

Einstürzende Neubauten, Die Tödliche Doris oder Palais Schaumburg hießen die Bands, die in der Münchner Schau als Triebfedern der Subkultur gezeigt werden. Neben Videos, Fotos, Plakaten und Tonaufnahmen – den üblichen Relikten einer verblichenen Popkultur – findet sich Kunst in der Schau: Viele Protagonisten entstammten dem Milieu der Kunstakademien und wollten Genre-Grenzen sprengen. "DerPlan" bastelten kubistische Masken für Auftritte und Fototermine, von der Gruppe Die Tödliche Doris blieb ein Skulptur-Objekt mit Gartenstühlen und genähten Figuren erhalten.

Der Dilettantismus der Szene erscheint rückblickend als logischer Befreiungsschlag gegen die miefige (west-)deutsche Nachkriegs-Gesellschaft, die an jeden die Erwartung stellte, im Leben etwas erreichen zu müssen, wie es der "Goldene Zitronen"-Sänger Schorsch Kamerun in einer Video-Doku in der Schau sagt.

Retro-Mief

Wie so oft bei konservierten Befreiungsschlägen setzen die Dokumente des Aufbruchs aber ihrerseits einen Mief an: Die Veteranen, die in der genannten Doku von der guten alten Zeit erzählen, scheinen allzu sehr damit beschäftigt, sich retrospektiv ihrer eigenen Wichtigkeit zu versichern.

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Einige Protagonisten haben überdauert – Einstürzende Neubauten gehören heute nicht umsonst zum Kanon der deutschen Popkultur, Albert Oehlen und der verstorbene Martin Kippenberger haben den Sprung in den Maler-Olymp geschafft. Die junge Frau namens Nena, die auf einigen Szene-Fotos auftaucht, ist auch noch aktiv.

Tunnelblick

Interessant ist, dass all diese Figuren ihren Ruf in einem System festigten, das das Miteinander der Sparten ausblendete: Wer Oehlens Malerei derzeit in der Schau "Deutsche Kunst seit 1960" im Klosterneuburger Essl-Museum sieht, bekommt nichts von Punk mit; wer heute die CD "Haus der Lüge" der "Neubauten" von 1989 ersteht, übersieht vermutlich die künstlerische Covergestaltung, die u. a. auf die deutsche Renaissance zurückgreift.

Die vielen Querbezüge in jüngerer Kultur zu konservieren, ist eine Herausforderung für Museen. Der Münchner Schau gelingt es immerhin, den Tunnelblick ein Stück auszuweiten.