Dear Reader mit neuem Album
Sechzehn Stunden am Tag arbeitete Cherilyn MacNeil, die Frau hinter Dear Reader, als sie ihr neues Album "Rivonia" in Eigenregie produzierte. "Ich vergass zu trinken und essen, hörte nur auf, wenn ich schon total dringend auf die Toilette musste", erinnert sie sich im Interview mit dem KURIER. "Aber es war absolut notwendig, so fokussiert zu sein. Denn bisher hatte ich immer einen Produzenten, der dem Album eine Richtung gab, bei Arrangements und Soundgestaltung den Ton angab. Als ich merkte, dass das nur dran liegt, dass ich mir das selbst nicht zutraute, dachte ich, für ,Rivonia' muss ich das erste Mal alles alleine machen."
Die Südafrikanerin, die nach der Trennung von ihrem Dear-Reader-Partner Daryll Torr 2010 nach Berlin zog, wusste auch ohne Produzent sehr genau, welche Richtung sie "Rivonia" geben wollte. "Ich hatte das Gefühl, dass der Sound des Vorgängeralbums "Idealistic Animals" ein bisschen zu dicht und zu überladen war. Ich wollte der Musik diesmal mehr Luft geben. Außerdem hatte ich davor viel mit der Stimme gearbeitet, mit A-Capella-Chören gesungen und wollte, dass sich der Sound diesmal ganz auf die Stimme konzenrtiert. Ich hatte auch die Demos in meinem Zimmer zuerst nur mit der Stimme aufgenommen. Natürlich wusste ich genau, diese Stimme soll später eine Klarinette werden, diese eine Trompete, aber eigentlich waren die Demos nur das Klavier und meine Stimme."
Das Album zum Durchhören
Auch wenn die Musik in Berlin entstand, in den Texten bleibt
MacNeil diesmal ganz in ihrer Heimat Südafrika. Denn dabei setzt sie sich mit der Geschichte von "Rivonia", einem nördlichen Vorort von Johannesburg, auseinander. "Ich bin dort elf Jahre lang zur Schule gegangen und mein Vater arbeitete ein paar Straßen weiter. Als ich mit der Arbeit an diesem Album begann, las ich "The Long Walk To Freedom" von Nelson Mandela. Und dabei hat mich eine Story besonders inspiriert. Nämlich die von Liliesleaf-Farm, einer Farm in Rivonia, in der sich Nelson Mandela und andere ANC-Mitglieder versteckt gehalten hatten. Und als ich dann über diese Farm den ersten Song geschrieben hatte, begann ich generell über meine eigene Kindheit nachzudenken. Und über die Schuldgefühle, die ich als Weiße habe, die von einem teuflischen System profitiert hat - obwohl ich erst elf war, als die erste demokratische Wahl stattfand. All das findet sich jetzt auf 'Rivonia' wieder."