Kultur

Das Lachen des Jahrhunderts

Spätestens in den 1960er-Jahren war Karl Farkas durch seine Auftritte im Kabarett Simpl und seine regelmäßigen TV-Sendungen eine lebende Legende. Dass man ihm zuweilen vorwarf, in seinen Pointen "nicht scharf genug zu sein", tat seinem Ruhm keinen Abbruch. Tatsächlich waren fürs kritische Kabarett andere zuständig, vor allem Gerhard Bronner, Helmut Qualtinger und Georg Kreisler (auf die wir noch zu sprechen kommen). Farkas wollte nur unerhalten. "In der Demokratie kritisch zu sein, ist keine Kunst, da ja alles erlaubt ist", sagte er. "Außerdem bin ich sowieso schon zu alt, um ein zorniger junger Mann zu sein." Und so begnügte er sich mit kleinen Sticheleien gegen die große Politik:

Wenn Politiker eitel wären, würden sie sich nicht so oft im Fernsehen zeigen!

Ein Politiker muss mit der Zeit gehen, sonst muss er mit der Zeit gehen.

Farkas hatte bereits 1922 im Simpl begonnen, wo er auf den kongenialen Fritz Grünbaum traf, mit dem er nun die Doppelconférence etablierte.

Farkas:

Ich gehe vorgestern über die Straße – ein gellender Pfiff, ein Mann in jagender Hast an mir vorbei, trägt einen Frauenhut.

Grünbaum:

Auf dem Kopf?

Farkas:

In der Hand! Hinter ihm die Polizei. Der Mann hatte nämlich in dieser Nacht vier Mal in ein und demselben Modesalon einen Einbruch verübt.

Grünbaum:

Da muss er den ganzen Laden ausgeräumt haben.

Farkas:

Nein, einen einzigen Hut hat er gestohlen – für die Frau, die er liebt!

Grünbaum:

Warum musste er wegen eines Hutes vier Mal einbrechen?

Farkas:

Sie hat ihn immer wieder zurückgeschickt – umtauschen!

Die Zeiten waren schlecht, als Grünbaum und Farkas begannen. Und das waren die besten Voraussetzungen dafür, dass Kabarett und Satire mehr Zuspruch fanden als je zuvor, da die Menschen Ablenkung suchten. Aus der großen Monarchie war nach dem Krieg eine kleine Republik geworden, deren Bewohner hungern und frieren mussten und dann noch in eine gigantische Inflation schlitterten. Der kürzeste Witz in dieser Zeit:

Treffen sich zwei Kaufleute:

"Servus, was treibst du?"

"Preise!"

Grünbaum, 1880 in Brünn zur Welt gekommen, begann als Stegreifsprecher, um sein Jusstudium in Wien zu finanzieren. Schon seine ersten Auftritte waren so komisch, dass ihn die großen Kabaretts als Conférencier holten.

Karl Farkas, Jahrgang 1893, hatte als Schauspieler an der Neuen Wiener Bühne begonnen, wo er in Klassikern und Komödien spielte, doch auf die Idee, Kabarettist zu werden, wäre ich nie gekommen, "da Kabarettisten für mich in dieser Zeit noch zur Gattung niederer Lebewesen zählten".

Nebenerwerb

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Doch die Inflation der frühen 1920er-Jahre machte es nötig, über den eigenen Schatten zu springen und sich um einen Nebenerwerb zu kümmern, um überleben zu können. Er sprach im Simpl vor, wurde aufgenommen und gehörte bald zur ersten Garnitur der Conférenciers, für deren Berufsstand er natürlich eine originelle Beschreibung fand:

Ein Conférencier ist ein Mann, der dem Publikum möglichst heiter zu erklären versucht, dass es heutzutage nichts zu lachen gibt.

Farkas und Grünbaum waren die Könige des Wiener Kabaretts, doch im März 1938 war von einem Tag zum anderen alles aus. Während Farkas die Flucht in die USA gelang, wurde sein Partner Grünbaum von den Nazis im KZ Dachau ermordet.

Farkas kehrte nach dem Krieg zurück und trat wieder im Simpl auf, da aber Grünbaum nicht zu ersetzen war, mussten zwei Künstler gefunden werden, die seine Stellung einnahmen. Als Co-Autor entschied sich Farkas für Hugo Wiener, und Partner in der Doppelconférence wurde Ernst Waldbrunn.

Waldbrunn:

Ich habe spanisches Blut in den Adern.

Farkas:

Du hast spanisches Blut in den Adern? Vom Vater?

Walsbrunn:

Nein.

Farkas:

Von der Mutter?

Walsbrunn:

Auch nicht.

Farkas:

Von wem denn?

Waldbrunn:

Bluttransfusion!

Zu der von Farkas entdeckten neuen Komikerelite zählten neben Waldbrunn auch Fritz Muliar, Heinz Conrads, Fritz Imhoff, Alfred und Maxi Böhm, Cissy Kraner, Otto Schenk und Ossy Kolmann.

Farkas starb am 16. Mai 1971. Maxi Böhms Trauerrede am offenen Grab endete mit den Worten: "Er war das Lachen des Jahrhunderts."

Lesen Sie am Dienstag: "Majestät, ich heiß auch Prohaska" – der politische Witz

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