Ein Rebell mit Sinn für Popkultur
Von Karl Oberascher
Wie ich an Fotos rangehe, das ist eigentlich so, wie ich früher Skateboard gefahren bin. Warum? Weil ich keine Angst habe." Daniel Josefsohn ist Fotorebell, Humorist und Provokateur. Nur eines - das wurde in dem Porträt, das ihm der Kultursender 3sat kürzlich widmete eindeutig klar - ist Josefsohn sicher nicht: Angepasst. Oder gar etabliert. Josefsohn ist ein Ungemütlicher und will das auch bleiben, auch wenn er längst als einer der wichtigsten deutschen Fotografen der Gegenwart gilt. Josefsohn ist lieber einer, der sich mit einem Storm-Troopers-Helm auf dem Platz des Himmlischen Friedens breit macht, um imaginäre Panzer aufzuhalten. Oder sich in selbiger Aufmachung an die Klagemauer stellt. Helm statt Kippa - das passt zu Josefsohn, der in seinen Bildtitel jegliches Gespür für Political Correctness vermissen lässt.
Wie könnte es auch anders sein, bei der Biografie: Geboren 1961 in Hamburg, Vater Disco-, Mutter Boutiquebesitzerin. Mit 16 Jahren findet er einen Heroin-Toten auf der Toilette der Disco seines Vaters. Nach einem Kreuzbandriss muss er noch in jungen Jahren seine Skater-Leidenschaft an den Nagel hängen. Seine neue Leidenschaft: Drogen. Das Geld für seine erste Kamera bekommt er von seinem Drogentherapeuten geliehen. Es ist der Startschuss für Josefsohns dritte Karriere, die er ebenso radikal und konsequent umsetzt. Legendär wird er mit seiner Miststück-Kampagne für den Musiksender MTV. In den 1990er-Jahren arbeitet Josefsohn für zahlreiche Magazine und prägt seit 2011 mit seinen Arbeiten das Außenbild der Volksbühne Berlin. 2012 dann der Schock: Schlaganfall, mit nur 51 Jahren.
Daniel Josefsohn: Bilder aus "OK DJ"
"Am Leben"
"Hätte mich der Schlaganfall schlimmer getroffen, wäre ich bestimmt gerne gestorben. Und auch nach dem Schlaganfall hatte ich mindestens ein halbes Jahr lang den Gedanken: Das wird nichts mehr", sagt der 53-Jährige im Interview mit 3sat. Seine Lebenspartnerin Karin Müller half ihm dabei wieder Lebensmut zu gewinnen - und seine wöchentliche Fotokolumne "Am Leben", in der er für das ZEITmagazin seine Rehabilitation zwölf Monate lange dokumentierte. Ein gewagtes Selbstbeobachtungs-Projekt, das den eigenen Stillstand nicht hinnehmen will. Josefsohn zeigt darin keine Angst das Vorher und das Nachher zu kontrastieren, das Leichtlebige mit dem Schwermütigen zu verbinden - und vergisst dabei auch nicht auf seinen Humor.
Im November 2014 wurden Daniel Josefsohn und Karin Müller für diese Arbeit von der Lead Academy in der Kategorie Reportage mit Gold ausgezeichnet. Im Hatje Cantz Verlag ist nun die erste Monografie zu Daniel Josefsohn erschienen. Neben den besten Kolumnen-Bildern bietet "OK DJ" einen repräsentativen Querschnitt durch das Gesamtwerk dieses - im positivsten Sinn des Wortes - ungemütlichen Zeitgenossen.