Kultur

Damit sie cool und sexy wird

"Krambambuli", bei den Großeltern gefunden, hat das Kind als eines der allerersten Bücher gelesen.

Aber nicht fertig: Die letzten Seiten fehlten.

Das Kind ahnte, dass es den treuen Hund zwischen seinen beiden Herren zerreißen wird und verzichtete deshalb lange Zeit auf eine andere Möglichkeit, das Ende der Geschichte zu erfahren.

Daniela Strigl erfand ein schöneres.

Viel später, als sie den "richtigen" Schluss nachholte ("Schad um den Hund"), geschah etwas, das seit 130 Jahren sehr oft geschieht, wenn man sich Marie von Ebner-Eschenbachs berühmteste Erzählung zu Gemüte führt:

Es gab Tränen.

Nicht fad

Persönliche Worte der Wiener Literaturwissenschaftlerin stehen am Anfang von "Berühmt sein ist nichts", der ersten deutschsprachigen Biografie über Ebner-Eschenbach seit 1920.

Nirgendwo wird derart laut ausgesprochen: Das war keine fade Baronin, die in irgendwelchen Sphären schwebte!

Marie von Ebner-Eschenbach aus dem mährischen Schloss Zdislavice reagierte allergisch auf Geschwätz, Frömmelei, Nationalismus.

Sie interessierte sich für die "einfachen" Leute, und zwar wirklich, niemals von oben herab: Als Uhrmacherlehrling wollte sie selbst dazugehören, und ihre geliebte Uhrensammlung verkaufte sie, um Geld für ein Armenhaus zu spenden.

Marie von Ebner-Eschenbach ist keine Frau gewesen, die ohnmächtig wurde, wenn das Wort "Emancipation" fiel: Im Gegenteil, sie war mit prominenten Frauenrechtlerinnen in Kontakt.

Sie verkörperte Güte, Herz, Empathie – und das ist cool und sexy, auch wenn man heute im Gegensatz zum 19. Jahrhundert nicht mehr so angetan ist davon.

Aber, lautet einer der 900 Aphorismen der Ebner-Eschenbach:

"Modern sein heißt auf dem Wege sein, unmodern zu werden."

Störender Körper

Daniela Stringl ist sehr genau. An der Schrift der Tagebücher merkt sie, ob’s der Porträtierten schlecht ging.

Und: Berichtet sie, dass die Baronin reiten war, erwähnt sie sofort, dass in "Chlodwig" und "Der Nebebuhler" und "Komtesse Paula" ... das Reiten und Stürzen eine Rolle spielt.

Darum soll es gehen: "Krambambuli" ist nicht alles. Es gibt so viel von der Aristokratin, die die Aristokratie kritisierte, zu lesen. Auch Hässliches. Aber Wärme, mütterliche Wärme strahlten sie und ihre – von Grillparzer geförderte – Kunst immer aus ... obwohl ihre Ehe kinderlos blieb, obwohl sie schon in jüngeren Jahren starke Gesichtsschmerzen hatte (Trigeminus Neuralgie) und später am Morbus Basedow erkrankte.

Ihr Körper störte beim Arbeiten. Mit 45 fühlte sie sich alt. Mit 85 starb sie. Zum 100. Todestag (12. März) wird man sie sehr mögen.

Daniela Strigl:
„Berühmt sein ist nichts“
Residenz Verlag.
400 Seiten.
24,90 Euro.
Erscheint am
29. Februar.