Kultur

Im Kreuzfeuer von Trauer und Obst

Er habe sich für sein Programm Witze überlegt, erklärte Conor Oberst zu Beginn seines Konzertes im Wiener Stadtsaal, denn der werde ja hauptsächlich für Kabarett genützt. Es blieb bei der Ankündigung, zu Lachen gab es bei diesem Konzert nicht viel.

Witze wären aber ohnehin fehl am Platz gewesen – eine Verschwendung des Talents des Amerikaners. Denn nach wie vor hat der Indie-Folk-Held diese riesige Traurigkeit in den riesigen Augen – und noch viel mehr davon in seinen Songs. Deshalb sind 420 Wiener in den seit Monaten ausverkauften Saal gekommen. Deshalb waren sie am Ende begeistert: Oberst ist kein kraftvoller Sänger, kein virtuoser Instrumentalist, aber begnadet darin, seine Sehnsucht nach Liebe, den Schmerz von Trennungen und die quälende Suche nach Sinn in Songs zu packen.

Zerrissen

Bei der mit Absicht intim gehaltenen Akustik-Tour mit nur einem Begleitmusiker macht er das noch spürbarer als mit seinen Bands Bright Eyes und Mystic Valley Band. Fast scheint es, als würde der Raum, den die schlichten Arrangements mit Gitarre, Klavier und Vibrafon zwischen den Tönen lassen, ihm noch mehr Gelegenheit geben, die zerrissene Seele hineinzupacken. Bei Highlights wie „Ladder Song“ oder „First Day Of My Life“ ist seine Stimme nah am Zusammenbruch, werden die Storys, die er so poetisch erzählt, so plastisch und eindringlich, dass die Schwermut auch den Zuhörern tief in die Knochen kriecht.

Aufgelockert wird die zweistündige Show nicht durch Witze, sondern durch das Einbeziehen der zwei Folk-singenden Schwestern von First Aid Kit, die im Vorprogramm auftraten und jetzt immer wieder als Background-Sängerinnen fungieren. Und durch spontane Einlagen: Einmal legt sich Oberst auf das Klavier, ein anderes Mal wirft der das Obst aus seiner Garderobe ins Publikum. Die Schwermut bleibt trotzdem hängen. So dass die Zuschauer am Ende – wohl überwältigt von all der ausweglosen Traurigkeit – kaum klatschen. Oberst kommt trotzdem zu einer Zugabe. Und danach explodiert der Applaus, wollen ihn die Wiener gar nicht mehr von der Bühne lassen. Denn es gibt nicht mehr viele Musiker, die ihr Publikum so in ihre Welt ziehen können. Und das ist faszinierend – auch wenn diese Welt nicht fröhlich ist und nie sein wird.

KURIER-Wertung: ***** von *****