Kultur

Commissario Brunetti hängt noch immer die Kollegen ab

Von den weniger spannenden Fällen des venezianischen Commissario Brunetti ist der 23. Fall, "Tod zwischen den Zeilen", der am allerwenigsten spannende.

Man ist echt froh, wenn im Buch irgendwann "Vorsicht!" gerufen wird, weil sich sonst jemand an einer Brücke den Kopf angeschlagen hätte. Puh, das war knapp.

Heuer zwei Krimis

Donna Leons Krimi sind trotzdem phänomenal. Denn auch der neue Roman ist in Rekordzeit an die Spitze der Bestsellerlisten marschiert und hat Konkurrenz wie den französischen Kollegen Bruno (von Martin Walker) und den dänischen Polizisten Carl Mørck (von Jussi Adler-Olsen) problemlos überholt.

Derartiges schafft sie seit zwei Jahrzehnten, Jahr für Jahr. Heuer im November soll schon Fall 24 erscheinen, mit "Tosca" und einem Mörder im Opernhaus La Fenice.

Das aktuelle Thema ist interessant, aber offensichtlich nur Krimi-tauglich, wenn es sich "im wahren Leben" ereignet hat: Bei Donna Leon wurden aus der Biblioteca Merula wertvolle Folianten gestohlen bzw. wurden Illustrationen aus Büchern geschnitten.

Die Autorin, 72 ist sie, ließ sich dabei von den Plünderungen in Neapels Biblioteca die Girolamini vor vier Jahren inspirieren.

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Drahtzieher war – der Direktor. Es gibt spannende Videoaufnahmen von ihm, die ihn beim nächtlichen Verpacken zeigen. Rund 4000 der insgesamt 170.000 Bücher verschwanden, z. B. zu einem Berlusconi-Vertrauten, verurteilt wegen Mafia-Verstrickungen (und Liebhaber alter Kunstwerke).

Der Gesamtschaden wird auf 19 Millionen Euro geschätzt. Der Direktor der Bibliothek bekam sieben Jahre … Hausarrest.

Erst dieser Tage gab Bayern 543 historische Bücher an Italien zurück, unter ihnen Originalausgaben der Schriften von Kopernikus, Galilei und Kepler. Sie waren in einem Münchner Auktionshaus sichergestellt worden.

Donna Leons venezianische Version hält zu oft inne. Brunetti isst Artischocken und tunkt das Öl auf. Der Himmel ist so blau, als sei er aus dem Mantel der Madonna herausgeschnitten. Und – das tut beim Lesen besonders weh – die Glyzinienknospen, die schwellen "wie Muskeln von Sportlern in den Startlöchern".