Kultur

Festival, well done

Wenn einem ein Security seine Hand hoch in den Himmel entgegenstreckt, ist man als Durchschnittsösterreicher perplex, denkt man hat jetzt irgendetwas falsch gemacht. So wäre es zumindest auf einem österreichischen Festival wie dem Novarock oder dem Frequency. Auf dem Coachella, einem vergleichbar großen Event nahe Los Angeles, bemühen sich die Securitys aber zu dieser Geste um einen abzuklatschen und ein schönes Festival zu wünschen. Dieses für den Österreicher schwer nachvollziehbare freundlich-aufgesetzte Verhalten zieht sich durch drei Tage Coachella, von den Setlists der Künstler über die Sanitäranalgen bis hin zum immergrünen Rollrasen. Rasen ist etwas, das man von österreichischen Festivals nicht kennt. Schon gar nicht Rasen, auf dem man wie am Coachella nach drei Tagen Festival noch problemlos barfuß gehen kann. Ähnlich ist es mit der Musik. Österreichische Erwartungen erfüllen sich nicht, was aber nicht unbedingt negativ ist.

Große Künstler, selbstverliebtes Publikum

Headliner des Coachella waren 2015 unteranderem AC/DC. Als Durchschnittsösterreicher erwartet man sich bei 40 Grad in der Wüste durchgeschwitzte Rocker, die bei der zweistündigen Show ihr Glück nicht fassen können und versuchen, im orgastischen Zustand crowd zu surfen. Crowdsurfing gab es zwar auch am Coachella, doch sind die Westküsten-Schönheiten viel zu sehr darauf bedacht ihr perfektes Outfit nicht zu zerstören. Der Gedanke, „You are an amazing crowd“ ist eine Floskel, die Künstler überall schmettern, ist falsch. Das Publikum am Coachella ist weitaus weniger „amazing“ als bei großen Events hierzulande. Das mag daran liegen, dass es am Coachella nur zwei Zelte gibt, an denen man Alkohol kaufen kann (ein großes Bier kostet rund zehn Euro, ohne Becherpfand). Dieser Gegebenheit ist es wahrscheinlich auch geschuldet, dass man es am Coachella zu weitaus mehr Konzerten schafft, weil man nämlich nie in die Verlegenheit kommt, andere Menschen kennen zu lernen und so einen Gig zu verpassen. Der Versuch von Florence Welch bei ihrem Auftritt europäische Festival-Verhältnisse herzustellen, endete für die Künstlerin schmerzhaft. Als sie das Publikum aufforderte sich die T-Shirts auszuziehen und dabei von der Bühne sprang, brach sich die Frontfrau von Florence and the Machine den Fuß.

Selfies, die höchste Form der Ehrerbietung

Eine herausragend gute Bühne war das Coachella für Kasabian. Weil die Brit-Rocker in den USA nicht die ganz große Nummer sind, hatte das Publikum – auffallend viele Europäer – Platz zu tanzen und europäisch auszuflippen. Das hätte sich wohl auch Jack White gewünscht und seine Setlist dementsprechend angepasst. Schon bei seinem Konzert in Wien vergangenen Herbst gab er viele White Stripes-Evergreens zum Besten. Trotzdem waren es in Wien weitaus weniger als am Coachella, wo er mit Icky Thump eröffnete und sich langsam über Hotel Yorba zu seinen Solo-Projekten vorarbeitete. White strampelte sich ab. Das Publikum würdigte seine Leistung mit Selfies, die den Künstler im Hintergrund auf der Bühne zeigten – in L.A. anscheinend die höchste Form der Ehrerbietung. Alles in Allem ist das Coachella ein Erlebnis, vor allem für Durchschnittsösterreicher. Ein gut durchgebratenes Festival auf dem man ein wenig jene Stimmung vermisst, von der es auf Österreichs „rohen“ Veranstaltungen manchmal zu viel gibt.