Cent-Beträge summieren sich zu Millionenlücken
Zuerst herrschte bei den Kulturinstitutionen Erleichterung: Die Mehrwertsteuer wurde nicht verdoppelt, sondern nur um 30 Prozent erhöht. Ab Jänner 2016 werden 13 statt bisher zehn Prozent auf Tickets eingehoben.
Auf die Erleichterung folgt nun das große Rechnen. Denn obwohl die Erhöhung pro Einzelkarte nur ein paar Cent oder Euro ausmacht, summiert sie sich auf erkleckliche Beträge. Mit 1,5 Millionen Euro pro Jahr rechnet man bei den Bundestheatern (eine knappe Million Euro bei der Staatsoper, 250.000 beim Burgtheater und 260.000 bei der Volksoper). 750.000 Euro macht die Steuererhöhung bei den Salzburger Festspielen aus, 600.000 bei den Vereinigten Bühnen Wien, 240.000 beim Theater in der Josefstadt, 100.000 bei den Wiener Festwochen und 80.000 beim Volkstheater.
Die Kulturanbieter könnten die Steuererhöhung einfach schlucken. Dies würde im Falle der Wiener Festwochen bedeuten, dass man zwei größere Gastspiele weniger präsentieren kann. Oder man hebt die Kartenpreise an. Wolfgang Wais, Geschäftsführer der Festwochen, empfindet beide Alternativen als "erbärmlich". Die Subventionen seien jahrelang nicht erhöht worden; es sei daher "noch schlimmer, wenn man jetzt an dieser Schraube", eben der Mehrwertsteuer, dreht.
Teurer
Die generelle Haltung ist, die Mehrbelastung auf den Kartenpreis draufzuschlagen. Den Grund will man kommunizieren: "Das ist ja keine Preiserhöhung, sondern eine Steuererhöhung", sagt Thomas Platzer, kaufmännischer Geschäftsführer der Staatsoper.
Klar ist, dass nicht alle Ticketpreise um 2,7 Prozent (das entspricht der Steuererhöhung) angehoben werden sollen: "Wir versuchen, die billigen Tickets billig zu halten", sagt Thomas Königstorfer, Geschäftsführer des Burgtheaters. Ähnlich will Helga Rabl-Stadler, Präsidentin der Salzburger Festspiele, vorgehen.
Christoph Ladstätter, Geschäftsführer der Volksoper, glaubt, dass die Steuererhöhung "keinen Proteststurm beim Publikum auslösen" werde. Popveranstalter Ewald Tatar hingegen befürchtet sehr wohl, dass sie "einen einen Einfluss auf den Konzertmarkt haben" werde. "Die Leute werden es sich überlegen", ob sie Karten kaufen. In der Folge werde der an den Einnahmen beteiligte Künstler weniger verdienen. Das könnte bedeuten, dass "möglicherweise die eine oder andere Show nicht passiert". Jazzveranstalter Fritz Thom sagt: "Es mag bei der Einzelkarte wenig sein, richtet sich aber de facto gegen das Publikum. Die Kultur zu melken ist jenseitig. "
Auch Fritz Aumayr vom Stadtsaal Wien hält es für möglich, "dass sich das Publikum den Kabarettbesuch nicht mehr leisten kann und will". Dass "die Politik gerade bei der Kultur abkassiert, ist ziemlich jämmerlich."
Ostermayer schweigt
Kulturminister Josef Ostermayer hatte Ende Februar im KURIER-Interview bezüglich einer möglichen Anhebung der Mehrwertsteuer gemeint, dass diese nur "diskutabel wäre", wenn er aufgrund der Mehreinnahmen durch die Steuer "mehr Geld für die Förderung von Kunst und Kultur" bekäme. Wie er die Sache nun einschätzt?Der SP-Politiker verbietet sich ein Statement. Schließlich beginnen nun die sicher harten Budgetverhandlungen.
KURIER: Ab wann werden Sie die Mehrwertsteuererhöhung an die Konzertbesucher weitergeben?
Ewald Tatar: Grundsätzlich muss der Gesetzgeber bestimmen, ab wann das gelten soll. Dass wir damit nicht happy sind, ist klar. Denn natürlich müssen wir diese Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozent weitergeben. Das heißt, jedes Konzertticket wird um diese drei Prozent teurer werden. Ab wann wir das tun müssen, entscheiden leider andere, die sich diese tolle Sache überlegt haben. Aber grundsätzlich bin ich natürlich schon auch froh, dass es nur eine Erhöhung von zehn auf 13 Prozent sind und nicht auf 20 Prozent, wie es ja auch schon einmal im Raum stand.
Sie sagen schon seit längerer Zeit, dass die Ticketpreise so hoch sind, dass eine Erhöhung nicht mehr verkraftbar ist. Wie schätzen Sie die Konsequenzen von dieser Erhöhung ein?
Dass wir auf dem Konzertmarkt definitv einen Einfluss haben. Drei Prozent sind Gott sei Dank nicht zehn Prozent. Aber es wird sicher eine Auslese geben. Ticketpreise sind wie schon in den vergangenen Jahren nach wie vor ein sensibles Thema. Und für uns halten wir den Ticketpreis ja auch gleich, für uns ändert sich nichts, die Nettoeinnahmen bleiben die selben. Aber das Ticket wird teurer und wenn der Künstler an den Einnahmen beteiligt ist, kann es schon sein, dass er bei der einen oder anderen Show weniger verdient, weil weniger Leute kommen. So wie es in Ungarn massiv zu bemerken war: Ministerpräsident Orban hat ja in Ungarn einen Mehrwertsteuersatz von 25 oder 23 Prozent für Tickets eingeführt. Da hatten die Einbußen von 50 bis 70 Prozent im Konzertgeschäft, da sind einige Tourneen an Ungarn vorbeigegangen.
Welche Künstler betrifft so etwas? Eher kleine oder eher große Acts?
Es betrifft im Prinzip alle. Aber alleine, wenn man sich die großen internationalen Shows anschaut, sind große Pop-Tourneen zu 60 bis 70 Prozent an Ungarn vorbeigelaufen.
Da reden wir von Künstlern wie Robbie Williams und Katy Perry.
Genau. Aber das passiert in Österreich sicher so nicht, weil es eben nur drei Prozent mehr sind. Aber es ist schon so, dass jeder Prozentsatz seine kleinen Auswirkungen hat. Wie stark das sein wird, das werden wir sehen.
Wie werden die Auswirkungen auf Österreich sein, werden da eher die kleineren oder eher die größeren Acts betroffen sein?
Das kann man nicht klassifizieren. Es gibt Acts, die man dann halt in kleinere Venues bucht, und hart kalkuliert - so, dass man in einem kleineren Venue finanziell durchkommt und der Künstler auch noch etwas dabei verdient. Aber wenn der sieht, jetzt fehlen mir trotzdem ein paar hundert Euro, kann es schon sein, dass da der eine oder andere Act wegfällt.
Aber die großen wird das bei uns nicht betreffen?
Es wird definitiv keiner sagen, er kommt nicht zu uns, weil wir 13 Prozent Mehrwertsteuer haben. Aber ein großer Stadion-Act spielt 30 Konzerte auf seiner Tour. Und wenn ihm auf seiner Deutschland-Tour, wo nur sieben Prozent Mehrwertsteuer eingehoben werden, einige 10.000 Euro oder sogar einige 100.000 Euro mehr bleiben, dann wird er die Deutschland-Show und nicht die Österreich-Show spielen. Es wird darauf hinauslaufen, wo ein Künstler mehr verdient - dort wird er dann spielen. Aber klar, Künstler wollen auch nach Österreich kommen und mögen es hier.
Haben Sie sich schon ausgerechnet, um welche Beträge es sich dabei bei Ihnen im Jahr handelt?
Nein, das habe ich mir noch nicht ausgerechnet. Das ist bei uns auch relativ schwer, weil es ein paar 100 Shows sind. Dazu gibt es die Festivals und alles mit verschiedenen Ticketkategorien. Als ich noch mit 20 Prozent gerechnet habe, habe ich das einmal anhand eines Nova-Rock-Festival-Passes festgemacht. Damit hätte der Pass nicht mehr 140 sondern knapp 155 Euro gekostet. Das wäre ein Riesensprung gewesen - eine Erhöhung, die ich mir beim Nova Rock in den letzten Jahren nicht zu machen getraut habe. Drei Prozent Erhöhung entsprechen einer normalen, alle zwei oder drei Jahre stattfindenden Festival-Pass-Erhöhung. Die kann ich für mich jetzt auslassen, weil die ergibt sich jetzt automatisch, und ich habe nichts davon.
Das heißt, dass Sie über weniger Einnahmen verfügen und weniger Kaufkraft haben, um Acts einzukaufen. Wen wird das treffen?
Das wird man dann individuell entscheiden. Beim Festival wird man sich das beim Headliner nicht überlegen können, da kann man nicht einsparen. Da wird man froh sein müssen, wenn man einen kriegt. Aber es wird definitiv die Bands im Mittel- und im Unterbau betreffen, wo man einsparen wird.
Welche Auswirkungen, glauben Sie, wird es auf das Verhalten der österreichischen Konzertgeher haben? Werden sich die Österreicher - wenn sie sich entscheiden müssen - eher nur die großen Stars anschauen und bei den kleineren und den Newcomern sparen?
Das ist das, was wir jetzt auch erst herausfinden müssen. Ich weiß es nicht. Aber prinzipiell weiß ich nicht, ob die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Eintrittskarten so viel bringt. Denn ich glaube schon, dass deshalb das eine oder andere Ticket nicht mehr gekauft wird. Und ob das unterm Strich Sinn macht, wird man in zwei, drei oder vier Jahren sehen. Ich glaube schon, dass es einige Konsumenten geben wird, die sagen, mir ist das jetzt wirklich zu teuer. Es wird bei uns nicht den Rieseneinbruch im Konzertgeschäft geben, aber es wird sicher Auswirkungen haben.
Haben Sie diesbezüglich schon Feedback von Konzertbesuchern?
Ich habe auf unseren Websites noch nicht nachgeschaut. Aber die Leute sind ja noch nicht unmittelbar betroffen. Und ich glaube, es ist ihnen auch noch nicht bewusst, was das heißt. Die Regierung hat zwar gesagt, es wird keine Massensteuer geben. Aber es werden 35 Millionen Konzerttickets in Österreich verkauft. Und jedes wird um drei Prozent teurer. Das trifft jeden. Was heißt da: ,Es gibt keine Massensteuer‘ ?