Uwe Tellkamps neuer Roman: Rechtes Weltbild als Versteckspiel
Von Peter Pisa
Das erste Wort lautet:
unlesbar
Damit ist zwar die Handschrift eines Archivars gemeint, kann allerdings für den ganzen Roman gelten.
Ignorieren klappt nicht.
Uwe Tellkamp aus Dresden (Foto oben) war mit Marcel Proust und Thomas Mann verglichen worden.
Vor 24 Jahren erschien „Der Turm“. Der Untergang der DDR mit Villenbewohnern in den Hauptrollen, die es sich eine Zeitlang hatten richten können,
Fast eine Million Bücher wurden verkauft. In der Verfilmung führte Jan Josef Liefers die Besetzungsliste an.
Unterirdisch
„Der Schlaf in den Uhren“ ist die immer wieder verschobene Fortsetzung. Dazwischen fiel Tellkamp mit rechtem Gerede auf. Der Suhrkamp Verlag distanzierte sich, die AfD umarmte ihn. Er findet, in Deutschland funktioniere die Demokratie nicht.
Dieses Gedankengut spielt jetzt Verstecken auf 900 wirren Seiten, die als Spielplatz herhalten müssen; einen anderen Sinn haben sie nicht.
Personen aus „Der Turm“ sind nicht wiederzuerkennen. Deutschland heißt jetzt Treva. Keine Ahnung, warum. Kanzlerin Angela Merkel heißt Anne, Grüne sind im Buch das Letzte, wobei Zeitungen um den Platz konkurrieren, denn sie lügen, auch „Die Wahrheit“ (das soll Der Spiegel sein).
Unterirdisch werkelt eine Sicherheitsbehörde, es hat sich demnach seit der DDR wenig geändert.
Ein Archivar im Dienst der „Tausendundeinenachtabteilung“ schreibt die Chronik der 25 Jahre nach Wiedervereinigung. „Der Schlaf in den Uhren“ ist diese Chronik – mit dem Titel ist gemeint, die Menschen sollen aufwachen, es ist Zeit für ... ja, wofür denn?
Gedanken an fremdenfeindliche, rassistische, rechtsextreme Demonstrationen sind nur logisch.
Fassen wir zusammen, damit man das Unverständliche erkennt – aus dem Zusammenhang wird nichts gerissen, denn es gibt keinen Zusammenhang:
Muriel will einen antimarxistischen Widerstand organisieren, Urin ist der beste Lederweichmacher, wobei das Verteidigungsministerium mit der Kohleninsel West bessere Verbindungen unterhält als mit Kohleninsel Ost, und der Eremit auf der Bassgitarre den Spaghettiriff zelebriert; wobei man nie vergessen darf, dass das von Ministerialrat Buddrulath geleitete Referat 333 (Verbindung zu Kirchen) zur Abteilung 3 gehört, die man Dreierdragoner nennt und Ministerialdirektor Hustenhausen untersteht. Im übrigen müssen Saugnäpfe fürs Bad gekauft werden.
Hier kann jemand nach wie vor außerordentlich gut schreiben, aber er verweigert sich.
„Der Schlaf in den Uhren“ ist angeblich der erste Teil. Da kommt noch etwas. Mit Mühe verkneift man sich eine letzte Bemerkung.
Uwe
Tellkamp:
„Der Schlaf in den Uhren“
Suhrkamp.
905 Seiten.
32,95 Euro
KURIER-Wertung: ein halber Stern