... und wieder 12 Bücher, ganz kurz
Von Peter Pisa
Vom Dreiklang Wien - Zens - Tod
Wienerisch. Sie spielt nach wie vor am Klavier Schubert für ihn, so tot kann ihr Mann Herwig Zens (1943 -2019) niemals sein. Und Gerda Zens sorgt dafür, das man sich an den Zeichner und Maler erinnert. Wegbegleiter erzählen vom Dreiklang Wien – Zens – Tod. Die vielen abgedruckten Grafiken - oben "Der seifenblasende Tod", 2004 - erklären, warum er Hofmaler des Todes genannt wird. Trotzdem war Zens' Lieblingswort: „weitermachen“.
Gerade Zens (Herausgeberin):
„Zens wienerisch“
Edition Sonnenaufgang. 100 Seiten.
20 Euro. Der Reinerlös geht an das St. Anna Kinderspital
KURIER-Wertung: ****
Runkelrüben soll man nicht heiraten
Märchen. Die Wienerin Sophie Reyer erzählt zwei Kunstmärchen von E.T.A. Hoffmann neu, schreibt um, macht sie irgendwie moderner – vor allem sorgt sie dafür, dass man zum 200. Todestag nicht vergisst, was für ein Genie der Deutsche war. Und rastlos schrieb er, rastlos schreibt auch Sophie Reyer. Merke: Heirate niemals eine Runkelrübe, auch wenn sie ein Gemüsekönig ist.
E.T.A. Hoffmann und Sophie
Reyer: „Die Königsbraut / Das fremde Kind“ Illustriert von Poul Dohle. Herder Verlag.
112 Seiten. 16,50 Euro
KURIER-Wertung: ****
Ein Horrorcomic hätte gut gepasst
Graphic Novel. 400 Erdbeben, danach 14 m hohe Wellen: Amerikaner hätten aus der Katastrophe von Fukushima einen Horrorcomic gemacht. Ein Fehler? Roger Vidal aus Barcelona zeichnet diese Chronik alles andere als schreiend. Bertrand Galic aus der Bretagne erzählt nicht unbedingt fesselnd. Aber zusammen mit den Fakten, hinten im Buch zusammengefasst, lernt man viel.
Bertrand Galic (Story) und Roger Vidal (Zeichnung): „Fukushima“
Übersetzt von Jano Rohleder.
Cross Cult Verlag.
136 Seiten. 25,70 Euro
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern
Nackt in einer brennenden Hütte
Serie, 2. Teil. Nach dem schwachen Start der Serie um Anwältin Selma Falck in „Ein Grab für zwei“ ist Norwegens ehemalige Justizministerin Anne Holt wieder in Bestform. Heißt: Der neue Roman ist schön verzwickt, ihre Heldin liegt nackt in einer brennenden Hütte und weiß nicht, was passiert ist, während Hass und Dummheit die Gesellschaft spalten. Sehr aktuell.
Anne Holt:
„Ein notwendiger Tod“
Übersetzt von Gabriele Haefs.
Atrium Verlag.
448 Seiten. 22,70 Euro
KURIER-Wertung: ****
Nur die Abgase waren nicht so gut
Pinzgauer. Angeblich schlägt das österreichische Herz schneller, wenn man in der Ferne noch einen „Pinzi“ sieht. Von 1973 bis 2000 wurde ans Bundesheer geliefert, Klagen der Soldaten, Auspuffgase seien ein unmittelbarer Feind, wurden weggewischt: Gibt eh Lüftungsmöglichkeiten. Das Buch ist jedenfalls ein Fest für den Geländewagen. Sieht man die Fotos, will man auch „so was“.
Walter Blasi:
„Der Steyr-Puch Pinzgauer des Österreichischen Bundesheeres“
Edition Winkler-Hermaden.
120 Seiten. 22,50 Euro
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern
Die TV-Nachricht vom eigenen Tod
Serienstart. Die Nachrichtenmoderatorin liest vor, was auf dem Teleprompter steht. Und da steht, dass man sie in Kürze tot auffinden wird. Und das liest sie vor. Und kurz danach ist sie tot. Das wird der erste Fall für die Wiener Mordgruppe 2. Im Roman kommt 26 Mal ein Geräusch vor. Hohl, gurgelnd, amüsiert, schnaubend, undefinierbar ... Dabei ist der Titel so ruhig, „Stille blutet“.
Ursula Poznanski: „Stille blutet“
Knaur Verlag.
400 Seiten.
17,50 Euro
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern
Von der Freiheit, keine Muse zu sein
Oppenheim. Der Versuch, Meret Oppenheim als Muse der Künstler (Arp, Giacometti) einzuordnen, scheiterte: Sie nahm sich die Freiheit – denn nur so geht’s –, zum Star der Moderne zu werden. Der biografische Roman von Mina König (das ist Journalistin Emily Walton) ist Unterhaltung – und ein guter Beginn, sich Oppenheim (und z.B. ihre Teetasse in Pelz) näher anzuschauen.
Mina König:
„Mademoiselle Oppenheim“
Taschenbuch. Heyne Verlag.
512 Seiten.
14 Euro
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern
Mit der Posaune am Swimmingpool
Sempé. Der französische Zeichner Jean-Jacques Sempé hauchte seinen Witz nur, der Humor schrie nicht, er kribbelte fröhlich. In „Endlich Ferien“ sind die Menschen noch einsamer, noch unsicherer als in früheren Büchern. Oft schlafen sie bloß am Strand oder spielen Posaune am Pool oder schauen aufs Meer und warten – auf ihr letztes Schiff? Sempé starb heuer am 11. August.
Jean-Jacques Sempé:
„Endlich Ferien“
Diogenes Verlag.
84 Seiten.
37,10 Euro
KURIER-Wertung: ****
Der Mond löscht die Lampe aus
Gedichte 1. Die Poesie muss ein Menschenrecht sein! Sie ruht in allen Dingen. Die Wienerin Christl Greller macht es in „berichte von der innenfront“ sichtbar. Es ist ihr achter Gedichtband. Stellung wird bezogen. Hoffnung gibt es. Obwohl Optimistismus anders klingt:
„wenn ich der mond wäre
ich löschte meine lampe, um
diese erde
nicht zu sehen ...“
Christl Greller:
„berichte von der innenfront“
Radierungen von
Traute Molik-Riemer. Edition Lex Liszt 12. 118 Seiten. 19 Euro
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern
Taschentücher werden bleiben
Gedichte 2. 83 ist Peter Paul Wiplinger, „Einschnitte“ ist sein 55. Buch, und die Einschnitte tun weh. Der Mühlviertler macht aus der Krebsdiagnose eine Lyrik, die in die Stille hört und den kommenden Abschied spürt. Reduziertes Leben:
„vielleicht werden auch noch
einige gebrauchte
taschentücher
von mir irgendwo
herumliegen“
Peter Paul Wiplinger:
„Einschnitte“
Löcker Verlag.
140 Seiten.
19,80 Euro
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern
Eine Ratte ist besser als ein Mord
Burgenland. Wer entführt einen Trafikanten? Er hat im Lotto gewonnen. Er hat die Millionen noch nicht ... Raimund Keinraths zweiter Krimi in der beschaulichen Gegend Geschriebenstein/Bucklige Welt überrascht wieder mit Bildern, die keine Mordserie brauchen. Sondern, viel besser, Nebel. Und eine Ratte. Und den Huber-Bauer, den grauen Bertl, den pensionierten Polizeimajor Pollak.
Raimund Keinrath:
„Katzengold“
Edition Lex Liszt 12.
523 Seiten.
26 Euro
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern
Im dunklen Ozean aus Schmerz
Schottland. Laidlaw ist ein Mensch, der zufällig Polizist ist. Der Schotte McIlvanney hat ihn drei Mal in Glasgow ermitteln lassen – wo Mafiosi einen „Atem wie Schweißbrenner“ haben. Während er am vierten Roman schrieb, starb er. Landsmann Ian Rankin vollendete sozusagen den Mord an einem Anwalt . Die Autoren sind eine spannende Einheit, die im dunklen Ozean aus Schmerz steht.
William McIlvanney und
Ian Rankin: „Das Dunkle bleibt“
Übersetzt von Conny Lösch.
Kunstmann Verlag.
288 Seiten. 25,70 Euro
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern