Kultur/Buch

Péter Nádas: Das Dorf ist auch ohne Geister ein Horror

Der Ungar Péter Nádas fühlt sich im Dritten Weltkrieg. Die Militärtransporte, die Geheimdienstoperationen ... und ist’s nicht Russland (sagt er), ist es China.

Schon vor Jahren sah er die Gefahr wegen der Maßlosigkeit kommen. Außerdem dauere es zwei Generationen, bis Unwissende einen neuen Krieg anzetteln ... der erst ein Ende finde, wenn jeder siebente kriegsfähige Mann tot sei.

Im neuen Roman „Schauergeschichten“ sind die Teufel in einem archaischen Bauerndorf nahe Budapest an der Donau unterwegs.

Die große Frage lässt sich im Kleinen abhandeln: Wer ist denn in der Lage, sie zu bändigen – bzw. sich selbst zu bändigen? Wer kann denn bei so viel Bösartigkeit gesunde Beziehungen eingehen?

Ordinär geschimpft und geflucht wird. Der Chor der Leute setzt hasserfüllt ein: Die Teres ist eine alte Schachtel, eine Vogelscheuche, eine Giftnudel, eine Hexe sowieso. Frau Fabius ist die Hirnverbrannte. Die Rosa, geistig behindert, leidet an Epilepsie. Rosa wurde vom Satan gemacht, heißt es. Er sitzt ihr zwischen den Beinen. Rosa, die fleißige Arbeiterin, ist eine Schlampe. Jedem Mann läuft sie nach.

Offene Rechnung

Der Dorfarzt und der Pfarrer, die der Dummheit zu zweit mit guten Gesprächen zu entkommen versuchen, müssen befürchten, dass „das Dorf“ Rosa irgendwann verbrennt.

Das Figurenensemble ist enorm wie in Péter Nádas’ „Parallelgeschichten“ (2012) und ebenso labyrinthisch.

Oft paarweise treten die Leute auf, wütend, gewalttätig, neidig, gierig. Das hindert den Roman nicht, langsam zu fließen. Ein rhythmischer Sprechfluss aus wechselnden Stimmen. Ein Rätselraten, wer gerade redet. Und dann kommen noch die Geister, als ob es nicht schon genug Horror gibt.

Aber was soll man machen, wenn die Toten nicht gehen wollen, weil sie mit den noch Lebenden eine Rechnung offen haben?

Machen wir uns nichts vor: Das ist eines jener Bücher, denen man unverzüglich attestiert, preiswürdige Literatur zu sein. Zum Lesen aber sind sie eine Herausforderung, für die Zeit und Nerven benötigt werden.

„Schauergeschichten“ ist ausgefranst, und man muss Nádas durch Lesen und Nachdenken helfen, seinen Roman zu säumen.

 

Péter Nádas:
„Schauergeschichten“
Übersetzt von
Heinrich Eisterer.
Rowohlt Verlag.
576 Seiten.
31,50 Euro

KURIER-Wertung: ****