Kultur

Bruno Ganz lieferte einen leisen Höhepunkt im Strauss-Jahr

Es dauerte nur eine Stunde, doch vor dem inneren Auge entstand eine ganze Welt. Der Schweizer Schauspielstar Bruno Ganz ("Der Untergang") brachte am Dienstag im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses mit Pianist Kirill Gerstein die Richard-Strauss-Rarität "Enoch Arden" zu Gehör. Im auslaufenden Strauss-Gedenkjahr erwies sich dies als einer der leisen Höhepunkte.

Das Melodram für Sprecher und Klavier beruht auf einer 1864 erschienen Ballade von Alfred Lord Tennyson. Darin verlässt der Fischer Enoch Frau und Kinder, um auf großer Handelsreise neue Geldquellen anzuzapfen. Als Schiffbrüchiger landet er auf einer Insel und kehrt erst nach zwölf Jahren zurück. Annie hat Enoch mittlerweile aufgegeben und dessen früheren Rivalen geehelicht.

Der Stoff erinnert an Robinson Crusoe und Odysseus, doch lässt der Titelheld letztlich epischen Heldenmut vermissen. Vielleicht geriet die Ballade nach ihrem anfänglichen großen Erfolg auch deshalb fast in Vergessenheit.

Ballastfrei

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Bruno Ganz rezitiert die Geschichte mit der ihm eigenen ballastfreien Sprache, fügt keinerlei unnötigen Ausschmückungen hinzu und bewahrt dem Text seine leisen Nuancen. Nicht einmal ein Handyläuten kann den Ifflandring-Träger aus der Ruhe bringen. Enoch Arden zerbricht schließlich im Stillen.

Dazu steuert Gerstein feinfühligst die Klaviermusik bei, welche die psychologischen Abläufe musikalisch kommentiert. In jenen Passagen, die Text und Musik vereinen, ergänzt sich das Zusammenspiel hervorragend. Wenn es kurz lautmalerisch wird, bauen wellenförmig sich auftürmende Klänge maritime Atmosphäre auf.

Als "Gelegenheitsschund" hat Strauss selbst das Werk bezeichnet. Nicht nur der lautstarke Jubel bewies hier ganz und gar das Gegenteil.

KURIER-Wertung: