Bonnie & Clyde: Gar nichts war cool und sexy
Von Peter Pisa
Im Gesicht eines Babys lässt sich nicht erkennen, ob es später Verbrechen begehen wird. Selbst erwachsene Betrüger, Räuber, Mörder sehen nicht wie Betrüger, Räuber, Mörder aus.
Das dürfte sich schon herumgesprochen haben.
Insofern ist es kein besonders guter Start, sondern überdeutliches Blabla, den die erste deutschsprachige Bonnie & Clyde-Biografie mit dem Titel „Ladies and Gentlemen, das ist ein Überfall“ hinlegt.
Da steht nämlich: „Als Bonnie Elizabeth Parker am 1. Oktober 1910 in Rowena, Texas, geboren wird, deutet tatsächlich nichts darauf hin, dass sie einmal für derartige Schlagzeilen sorgen wird.“
Hühnerdieb
Aber man erfährt viel über die Wirtschaftskrise (über die man viel zu wenig weiß) und dass Clyde am liebsten in Socken Auto fuhr – und die wichtige Botschaft, die noch immer niemand so gern hören will, kommt an: Bonnie & Clyde waren weder cool noch sexy wie Faye Dunaway und Warren Beatty in Arthur Penns Film 1967.
Clyde Barrow – einer von zwölf Millionen Arbeitslosen – mag charmant gewesen sein, aber als er Hühner stahl, dann Autos und dafür als 21-Jähriger zwei Jahre ins schlimmste texanische Gefängnis musste (mit Auspeitschungen und mit einem Mithäftling, der ihn ein Jahr lang täglich missbrauchte) ... er konnte danach nicht mehr gerade gehen, weil er sich aus Verzweiflung Zehen abgehackt hatte.
Fortan hasste er. Rache wollte er an der Justiz nehmen. Eine Zeitbombe war er. Reich werden? Nein, das war es nicht.
Und Bonnie – eine Dramaqueen, die ihr fades Leben als Kellnerin satt hatte und ihren Geliebten nicht alleinlassen wollte und deshalb im Ford V 8 am Beifahrersitz saß, hinten die Maschinenpistolen: Ihr Körper war seit einem Autounfall verbranntes Fleisch, verätztes, verstümmeltes.
Clyde flüchtete mit ihr weiter, insgesamt zwei Jahre lang. Er hatte: Schussverletzung Schulter, Schussverletzung Wirbelsäule, Schussverletzung Brustwarze, Schrotkugeln in Fuß, Brust, Hand, Lippe ... Sexy?
Dass das Paar bei Überfällen immer nur Geld erbeutete, um leben zu können, dass sie Familie und Freunde damit unterstützten und vor allem Banken als Opfer aussuchten, machte sie bei Amerikas armer Bevölkerung eher zu Rebellen gegen den Kapitalismus: 1,2 Millionen Menschen waren auf der Straße gelandet, weil sie plötzlich fällig gestellte Bankdarlehen nicht zurückzahlen konnten.
Da zählte weniger, dass die Geschichte von Bonnie & Clyde mit 13 Toten endete. (Clyde Barrow schoss nur, wenn er sich bedroht fühlte. Er war ständig bedroht.)
Falsch: 15 Tote waren es am Ende, Mai 1934. Hollywood machte ein Ballett daraus. Von 160 Kugeln, innerhalb von 15 Sekunden aufs Auto abgeschossen, trafen Clyde ungefähr 50 und Bonnie ungefähr 50. Sie hatte gerade in ein Sandwich gebissen. Cool?
KURIER-Wertung:
INFO: Michaela Karl: „Ladies and Gentlemen, das ist ein Überfall“ Residenz Verlag. 304 Seiten. 24,90 Euro.
1930 gab es in Amerika 638 Radiosender, und besonders die Berichterstattung über Verbrechen war beliebte Unterhaltung.
Dazu kam ein US-Phänomen, die sogenannten True Crime Detective Magazines: „Schundheftchen“ mit halbwegs wahren, später fiktiven Geschichten, deretwegen viele Amerikaner lesen lernten.
Diese Hefte machten in den 1920er-, 1930er-Jahren Gangster zu Stars.
Nicht nur Bonnie & Clyde wurden gefeiert, auch Al Capone verdankte ihnen seine Berühmtheit.
Da musste selbst einer wie FBI-Chef J. Edgar Hoover entgegensteuern und – freilich mit schreiberischer Unterstützung – etwas beisteuern: nämlich „Die ermordete Unterwäscheschönheit aus Louisiana“.
Alles wegen der Publicity.
Ein Bildband aus dem Kölner Taschen Verlag (15,50 Euro) zeigt 450 Cover aus der Sammlung des Amerikaners Eric Godtland, und anhand von ihnen wird die Geschichte dieser Trash-Kunst erzählt:
Die Frauen auf den Heftumschlägen – anfangs gezeichnet, später fotografiert – hatten immer weniger an, wurden immer häufiger gefesselt, und es schien nur noch Lustmorde zu geben ... Zensuriert wurde trotzdem nie (weil ja das Gute siegte. Als der Playboy erschien, war das Ende nah.