"Blauschmuck" macht wütend
Von Peter Pisa
" Blauschmuck" ist ein Wort, das beutelt durch, denn gemeint sind damit die Blutergüsse bei den Frauen im türkisch-kurdischen Dorf.
Hellblau manchmal, dunkelblau, blau-rot, blau-schwarz, je nachdem, ob die Ehemänner bzw. Väter mit Holzscheit oder Eisenstange zuschlagen.
Die meisten Geschlagenen verstecken die Verletzungen nicht, sondern tragen sie offen ... wie Armreifen, wie Halsketten.
Angekettete.
"Blauschmuck" heißt der Debütroman der in Berlin lebenden Wienerin Katharina Winkler. Ihre Poesie, so einfach aussehend, verstört in diesem Zusammenhang: Schnee liegt wie gebackenes Eiklar auf den Dächern, der Atem hängt wie Schafwolle in der Dunkelheit ...
Viel zu schön klingt das. Es macht allerdings Sinn, der Kontrast verschlimmert alles, noch wütender wird man – das wäre nicht notwendig gewesen.
Versklavt
Katharina Winkler wollte nicht politisch sein. Sie ist es.
"Blauschmuck" macht noch mehr Angst, als viele ohnehin schon haben. Was soll man machen? Es ist, wie es ist. Es geht um das Mädchen Filiz, einer der vielen Töchter einer muslimischen Hirtenfamilie. Abends muss sie Vater die Füße waschen. Denn sonst! Der fesche Mann aus dem Nachbardorf, der sie entführt, ist 18 (sie 15).
Nachts Beischlaf von vorn und von hinten, dann vor Sonnenaufgang Fladenbrot backen, dem Gott das frische Hemd reichen, es zuknöpfen gar. Einmal sagt sie lächelnd, und sie ist dabei voller Liebe: Du bist doch 18, nicht 80.
Er foltert sie im Stall mit der Heugabel: "Du darfst dich niemals gegen deinen Mann erheben!"
Nach Übersiedlung nach Österreich gab es nicht die versprochenen Jeans, sondern Burka. Und Prügel bis ins Krankenhaus, bis ins Frauenhaus.
Der Roman beruht auf wahren Begebenheiten, erfährt man. War zu vermuten. Man erfährt auch, was aus Filiz und ihren drei Kinder geworden ist. Viel. Gratulation! Der Mann kehrte in die Türkei zurück und heiratete die Nächste.
Am Sonntag, 29. 5., um 11.00 Uhr liest Katharina Winkler im Theater in der Josefstadt aus „Blauschmuck“.
Katharina Winkler: „Blauschmuck“ Suhrkamp Verlag. 196 Seiten. 19,50 Euro.